Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären
dem Wohl des Clans vor? Ist er nicht der Mog-ur? Der große Mog- ur? Und du vermeinst, er wird uns nicht bedeuten, was der Brauch gebietet?"
"Laß ihn, Brun. Was Broud uns da vor Augen hält, ist so falsch nicht. Ihr alle wißt, wie zugeneigt ich Ayla bin. Es ist nicht leicht für mich, sie meinem Herzen zu entreißen. Ich habe mich darum bemüht; doch kann ich nicht gewiß sein, ob es mir auch gelungen ist. Seit eurer Rückkehr habe ich gefastet und wieder und wieder in mich selbst geschaut. In der Nacht, die hinter uns liegt, ihr Männer, habe ich den Weg in die Tiefen femer Zeiten finden können, die ich noch nie zuvor geschaut, vielleicht, weil ich sie nie gesucht habe."
Der Mog-ur hob seinen Arm in die Höhe und wies in einem Bogen weit in die Ferne. "Vor langer, langer Zeit, lange bevor wir zum Groß-Clan wurden, gingen die Frauen den Männern bei der Jagd zur Hand." Ein ungläubiges Knurren machte die Runde, als der Zauberer diese Ungeheuerlichkeit verkündete. "Ja, so war es. Wir wollen eine heilige Feier abhalten, und ich werde auch euch dorthin führen, in jene fernen Tage, als wir Erdlinge lernten, Werkzeuge und Waffen zu fertigen, als wir mit einer Gabe des Geistes geboren wurden, die war wie unsere Fähigkeit, uns zu erinnern und zurückschauen, und doch anders. In jene Tage werde ich euch führen, wo Männer und Frauen die wilden Tiere gemeinsam erlegten, um Nährendes zu beschaffen. Denn nicht immer sorgten in jener Zeit die Männer für die Frauen. Wie Bärinnen jagten sie selbst für sich und ihre Kinder. Und erst später begannen die Männer, für eine Frau und ihre Kinder zu jagen. Und noch viel mehr Zeit musste vergehen, ehe die Frauen nur noch zu sammeln und die Kinder zu hüten hatten. Als die Männer anfingen, Frauen und Kinder zu beschützen, als sie begannen, Nährendes durch Jagen zu beschaffen, war das der Anfang des Groß-Clans, und nur so konnte er wachsen. Denn wenn eine Frau mit Kindern auf der Jagd ihr Leben verlor, dann mussten auch die Kinder sterben. Erst als die Männer und Frauen aufhörten, miteinander zu kämpfen, erst als sie lernten, zusammenzuhalten und miteinander zu jagen, fing der GroßClan an zu wachsen. Und selbst da gab es noch Frauen, die auf die Jagd gingen, jene nämlich, die mit den Geistern sprechen konnten."
Der Mog- ur hielt inne und deutete auf den Clan-Führer.
"Brun, du glaubst, nie zuvor hätte eine Frau gejagt. So war es nicht. Es gab eine Zeit, da sind die Frauen des Groß-Clans auf die Jagd gegangen. Die Geister sahen es freundlichen Sinnes. Aber es waren andere Geister, Geister aus uralter Zeit, und nicht die Geister der Totems. Es waren die mächtigen Ahn-Geister, doch sie sind lange schon zur Ruhe gegangen. Die Clan-Leute haben sie nicht geehrt; sie haben sie gefürchtet. Sie waren nicht böse, diese Geister; sie waren einfach zu mächt ig."
Die Männer saßen da, wie vom Donner gerührt. Der Mog-ur kündete von Zeiten, die so weit zurücklagen, dass sie beinahe vergessen waren. Und doch wurde in ihnen eine uralte Furcht zum Klingen gebracht; die Furcht des Mannes, von der Frau beherrscht zu werden. Mehr als einen der Männer durchrann ein kalter Schauder.
"Ich glaube nicht, dass Frauen, die zu unserer Zeit in den Clan hineingeboren werden, den Trieb zu jagen verspüren", fuhr der Mog- ur fort. "Es kann sein, dass sie gar nicht fähig wären, auf die Jagd zu gehen. Eine zu lange Zeit ist vergangen. Die Frauen sind andere geworden und die Männer auch. Aber Ayla ist von fremder Art; die anderen sind nicht so wie wir. Wenn du Ayla erlaubtest zu jagen, Brun, so würde das die anderen Frauen nicht verführen, glaube ich. Des Mädchens Verlangen zu jagen verwundert sie so sehr wie uns."
Der Mog- ur ließ die Hand sinken und legte sie auf die Brust.
"Möchte einer unter euch noch etwas dazu sagen?" fragte Brun und wies mit der Hand in die Runde.
"Goov wünscht zu sprechen, Brun."
"Goov möge sprechen."
"Ich bin nur der Gehilfe. Mein Wissen ist geringer als das des Mog- urs, doch mich deucht, er hat etwas übersehen. Vielleicht, weil er sich so hart gemüht hat, seine Sinne nicht von der Zuneigung zu Ayla leiten zu lassen. Er hat seinen gewaltigen Blick in vergangene, ferne Zeiten gerichtet, nicht auf das Mädchen selbst. Und er hat darüber ihr Totem aus den Augen verloren." Goov hob die Hände, zeigte auf die Männer und legte klar, was er meinte. "Ich frage euch: Warum erwählt ein mächtiges männliches Totem ein Mädchen? Gleich nach dem Höhlenbären ist
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