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Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären

Titel: Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean M. Auel
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getrieben, jagten Wolken über den Himmel und gössen eisigen Regen über das Land, doch Brun saß da und spürte nichts. Die Dunkelheit nahte schon, als er sich schließlich erhob und langsam zur Höhle zurückging. Er sah Ayla, die immer noch dort saß, wo sie am Morgen gesessen hatte, als die Männer gegangen waren.

15
    Früh versammelten sich die Clan-Leute draußen vor der Höhle. Ein kalter Wind blies von Sonnenaufgang her, doch der Himmel war klar, und die Morgensonne, die eben hinter dem Grat auftauchte, glänzte freundlich, als wollte sie der düsteren Stimmung spotten. Aller Blicke mieden einander; die Arme hingen schlaff herunter, zu traurig, um sich noch etwas zu sagen. Ihre Füße schleppten sie zu ihren Plätzen, wo sie erfahren sollten, was über dieses fremde Mädchen, das ihnen längst ans Herz gewachsen, beschlossen worden war.
    Uba spürte, wie ihre Mutter am ganzen Körper zitterte. Sie hielt ihre Hand so fest, dass es schmerzte. Das Kind ahnte und wurde ganz still dabei, dass es nicht der Wind war, der Iza so schaudern ließ.
    Creb stand am Eingang der Höhle. Noch nie hatte der große Zauberer so furchterregend ausgesehen wie heute. Aus Granit das Gesicht, hart und stumpf wie Stein das Auge. Auf ein Zeichen von Brun humpelte er ins Innere der Höhle hinein, langsam und müde, wie von einer unsäglichen Bürde niedergedrückt. Er hinkte zu seinem Wohnkreis und blickte auf das Mädchen, das auf dem Fell hockte. Seine Hand zitterte, als er Ayla bedeutete, ihm zu folgen. Doch das Mädchen nahm ihn nicht wahr.
    "Ayla, Ayla", sprach er sie behutsam an. Sie sah auf. "Es ist Zeit. Du mußt jetzt kommen", ma chte Creb ihr klar. Ihre Augen blickten matt und leer. "Du mußt jetzt kommen, Ayla. Brun ist bereit", wiederholte der Mog- ur geduldig.
    Das Mädchen senkte den Kopf und stand mühsam auf. Die Glieder waren steif geworden vom langen Sitzen. Ayla gewahrte es kaum. Wie benommen folgte sie dem alten Mann, den Blick starr zur staubigen Erde gerichtet, die noch die Spuren jener trug, die zuvor diesen Weg gegangen waren - einen Fersenabdruck, die Eindrücke von Zehen, die verwischten Linien eines Fußes, den runden Abdruck von Crebs Stock, die Schleifspuren seines lahmen Beines. Sie hielt an, als der Blick auf Bruns Füße fiel, die in staubigen Hüllen steckten, und sank zu Boden. Leicht berührte des Clan-Führers Hand ihre Schulter, und sie zwang sich, den Kopf zu heben und ihm ins Gesicht zu sehen.
    Die Begegnung ihrer Blicke riß sie plötzlich aus ihrer Benommenheit und weckte Furcht in ihr. Sein Gesicht war ihr vertraut - die niedrige, fliehende Stirn, die wulstigen Brauen, die große breite Nase, der buschige Bart -, doch jegliche Strenge und Unnahbarkeit waren aus Bruns Augen gewichen. Matt schimmerten Ayla Mitgefühl und Kummer entgegen.
    "Ayla", sagte der Clan-Führer laut und hob dann die Hände, um die Entscheidung zu verkünden: "Mädchen des Clans, unsere Bräuche sind alt. Von Anfang an haben sie das Leben des Clans bestimmt. Du wurdest nicht in unserer Mitte geboren, aber du bist eine vom Clan, und nach dessen Brauchtum mußt du leben und sterben. Als wir hoch oben in den kalten Gefilden, wo die Sonne sich selten zeigt, das Mam-Mut jagten, hast du eine Schleuder zur Hand genommen, und du hast auch schon in früheren Tagen mit der Schleuder gejagt. Den Frauen des Clans ist verboten, eine Waffe zu führen. Und auch die Strafe, die darauf steht, ist durch den Brauch bestimmt. Sie steht fest. Sie kann nicht umgestoßen werden."
    Brun beugte sich vor, blickte in die verängstigten Augen des Mädchens, und seine Hände fuhren fort. "Ich weiß, warum du die Schleuder gebraucht hast, Ayla, wenn mir auch verborgen bleibt, warum du je angefangen hast, dich in ihrem Gebrauch zu üben. Brac wäre nicht mehr unter uns, wärst du nicht gewesen." Der Clan-Führer richtete sich zu seiner vollen Größe auf, hob beide Hände in den Himmel und verkündete mit großer Gebärde: "Der Führer dieses Clans sagt dem Mädchen Dank, dass es dem Sohn der Gefährtin des Mannes, welcher der Sohn meiner Gefährtin ist, das Leben bewahrt hat."
    Unter den Clan- Leuten flogen ungläubige Blicke hin und her. Selten kam es vor, dass ein Mann öffentlich Dankbarkeit zeigte, noch seltener, dass ein Clan-Führer sich dazu herabließ, dies auch noch gegenüber einer Frau zu tun.
    "Aber der Brauch erlaubt keine Ausnahmen", machte Brun und gab dem Mog- ur ein Zeichen. Der Zauberer betrat die Höhle. "Ich kann nicht anders,

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