Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären
tot.
Izas Klageschrei zerschnitt die Luft. Dann hob Oga an zu jammern, dann Ebra, und schließlich stimmten alle Frauen in Izas Klage ein. Ayla sah die Frau, die sie liebte, vom Schmerz überwältigt, und lief zu ihr, um sie zu trösten. Doch als sie die Arme um sie schlingen wollte, wandte Iza ihr den Rücken zu und entzog sich ihnen. Es war, als sähe sie das Mädchen nicht. Ayla war verwirrt. Fragend blickte sie auf Ebra; die sah durch sie hindurch. Sie lief zu Aga, dann zu Ovra. Doch keine nahm sie wahr. Sobald sie sich auch nur einer näherte, drehten die Frauen ihr den Rücken zu oder entfernten sich. Nicht mit Bedacht, um sie vorüberzulassen, sondern so, als hätten sie schon, bevor das Mädchen kam, vorgehabt, wegzugehen. Ayla rannte zu Oga.
"Ich bin es, Ayla! Ich stehe vor dir. Siehst du mich nicht?" fuchtelte sie erregt und verzweifelt vor deren Augen.
Ogas Blick wurde trübe. Sie drehte sich um und ging weg, ohne auch nur ein Zeichen gegeben zu haben. So, als hätte Ayla gar nicht vor ihr gestanden. Ayla sah Creb, der sich Iza näherte. Sie stürzte zu ihm hin.
"Creb! Ich bin es, Ayla! Ich bin hier", bedrängte sie den Zauberer und versuchte, sich an ihn zu klammern. Doch der humpelte weiter, machte nur einen kleinen Schritt zur Seite, um dem Mädchen auszuweichen, das sich ihm jetzt zu Füßen geworfen hatte.
"Creb!" klagte sie wimmernd. "Warum willst du mich nicht sehen?"
Vom staubigen Boden sprang sie auf und rannte weiter zu Iza.
"Mutter! Mutter! Sieh mich an!" flehte sie und rang die Hände.
Die Medizinfrau blickte zum Himmel und erhob wieder ihr schrilles Klagegeschrei. Sie stieß die Arme in die Luft, als wollte sie den Himmel zerkratzen, und schlug sich dann wie wild gegen die matten Brüste.
"Mein Kind! Meine Ayla. Meine Tochter ist tot. Sie ist für immer fortgega ngen!"
Ayla, der sich schon fast alles im Kreise drehte, erblickte Uba, die sich voller Angst und Verwirrung an die Beine ihrer Mutter klammerte. Vor dem kleinen Mädchen kniete sie nieder und hielt es am Kinn.
"Siehst du mich, nicht wahr, Uba? Hier bin ich."
Schon wollte das Kind in Aylas sonnenhelles Haar fassen, wie es dies immer tat, doch da beugte sich schon Ebra herunter und trug das kleine Mädchen weg.
"Ich will zu Ayla", wehrte sich Uba und strampelte heftig.
"Ayla ist tot, Uba. Sie ist fort. Das ist nicht mehr Ayla. Das ist nur ihr Geist. Du mußt ihn in Ruhe lassen, damit er den Weg in das Jenseits findet. Wenn du mit ihm sprichst, dann wird er versuchen, dich mitzunehmen. Und es bringt Unglück über dich, wenn du ihn siehst. Sieh ihn nicht an, diesen Geist. Möchtest du unglücklich werden?"
Ayla sank zu Boden. Sie hatte sich nicht vorstellen können, was es bedeutete, zum Tode verflucht zu sein. Alle möglichen Schrecknisse waren ihr vor Augen gestanden, aber die Wirklichkeit war weit schlimmer.
Für die Clan-Leute hatte Ayla aufgehört zu sein. Sie lebte nicht mehr. Die Ayla, die alle kannten, war tot. Was man von ihr sah, war eine Hülle, in die ein anderer Geist geschlüpft war. Der Tod war für die Clan-Leute eine Änderung ihres Zustandes, eine Wanderung zu einem anderen Sein, das jenseits von ihrem Sein lag. Die Lebenskraft galt als ein unsichtbarer Geist. Ein Mensch, der eben noch lebendig war, konnte im nächsten Augenblick tot sein, ohne dass eine sichtbare Veränderung eintrat; nur das, was Bewegung und Atem und Leben spendete, das war fort. Und jene Kraft, die die wirkliche Ayla war, gehörte nicht mehr zur Welt des Clans. Sie war gezwungen worden, in eine andere Welt hinüberzugehen. Und ob der Körper, der zurückblieb, kalt und starr oder warm war und sic h bewegte, war gleichgültig.
Da war es leicht zu glauben, der Lebenshauch könnte fortgescheucht werden. Wenn der Kopf ihres greifbaren Körpers es auch noch nicht wusste, so würde er es doch bald genug wissen. Keiner glaubte ernstlich, dass Ayla je wiederkehren würde; nicht einmal Brun. Ihr Körper, eine leere Hülle, konnte niemals so lange lebensfähig bleiben, bis es ihrem Geist gestattet war, zurückzukehren. Ohne den Lebenshauch aber, diesen Willen zum Leben, zum Überleben, konnte der Körper nicht essen und nicht trinken, würde bald verfallen. Für einen Erdling, der fest an diese Vorstellung glaubte, und der erleben musste, dass die anderen von seinem Sein keine Kenntnis mehr nahmen, gab es keine Hoffnung mehr, keinen Grund mehr zu essen und zu trinken; er hauchte sein Leben aus.
Doch solange der Geist in der Nähe der Höhle blieb und den
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