Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären
sein, dass wir die Feier gar nicht halten können. Mag sein, dass die anderen Mog-urs den Trank nicht annehmen wollen, wenn Ayla ihn bereitet. Aber versuchen will ich es. Wäre nur Uba ein wenig älter. Iza soll beide unterweisen, wenn ich auch nicht glaube, dass die anderen ein Mädchen eher annehmen als eine Frau, die nicht im Groß-Clan geboren wurde. Ich will mich mit Brun beraten. Wenn wir die Geister zu uns rufen, damit sie das Totem offenbaren, werden wir Ayla zugleich zur Medizinfrau erheben.
"Ich gehe zu Brun", bedeutete Creb kurz und machte sich auf den Weg zum Wohnkreis des Clan-Führers. Er wandte sich noch einmal nach Iza um. "Zeige Ayla und Uba, wie der Trank bereitet wird", befahl er mit knapper Gebärde. "Ob es Nutzen hat, weiß ich nicht."
"Iza, ich finde die Schale nicht, die wir der Medizinfrau des Gastgeber-Clans mitbringen sollen", gab Ayla der Medizinfrau verzweifelt zu verstehen, nachdem sie Nährendes, Pelze und Geräte durchwühlt hatte, die neben ihrem Schlafplatz aufgeschichtet waren. "Ich habe überall gesucht."
"Du hast sie doch schon eingepackt, Ayla. Beruhige dich, Kind. Es ist noch Zeit. Brun wird erst aufbrechen, wenn er mit seinem Verzehr zu End e ist. Setz dich zu mir und iss etwas. Und du auch, Uba." Iza warf begütigend die Hände hoch. "Wir haben doch schon gestern alles durchgesehen, bevor wir uns schlafen legten."
Creb hockte auf einer Matte, Durc auf dem Schoß, und verfolgte das aufgeregte Getue mit Erheiterung.
"Sie sind nicht anders als du, Iza." Er hob den Jungen hoch und setzte ihn sich auf die Schulter. Von seinem neuen Ausguck aus blickte Durc sich neugierig um.
"Schau, wie kräftig sein Hals ist", bedeutete die Medizinfrau. "Es macht ihm gar keine Mühe mehr, seinen Kopf aufrecht zu halten. Ich kann es kaum glauben. Seit seiner Totemfeier ist er von Tag zu Tag kräftiger geworden. Gib ihn mir. Ich kann ihn jetzt lange nicht mehr halten."
"Mag sein, dass der Grauwolf mich deshalb drängte, die Feier abzuhalten", erklärte Creb. "Bestimmt wollte er dem Kind helfen."
Der Zauberer lehnte sich zurück und betrachtete die kleine Schar, deren Beschützer und Nährer er war. Wie oft hatte ihn der heisse Wunsch gequält, eine Familie zu haben wie all die anderen Männer. Jetzt, wo er alt wurde, war es ihm endlich vergönnt. Er hatte sich schon mit Brun darüber unterhalten, wer Durc später unterweisen sollte. Der Clan-Führer konnte es nicht zulassen, dass ein Clan-Glied aufwuchs, ohne das erlernt zu haben, was es später brauchen würde. Brun hatte das Kind in dem Wissen angenommen, dass es zunächst an Crebs Feuer aufwachsen würde; und er fühlte sich verantwortlich für den Kleinen. Bei der Totemfeier hatte er dann verkündet, dass der Clan-Führer selbst es auf sic h nehmen würde, den Jungen zu unterweisen, sobald dieser kräftig genug war, mit auf die Jagd zu gehen. Ayla war voller Dankbarkeit. Einen besseren Lehrer hätte sie ihrem Sohn nicht wünschen können.
Der Grauwolf ist ein gutes Totem für den Jungen, sann Creb. Aber neugierig bin ich doch. Es gibt Wölfe, die mit dem Rudel laufen, und es gibt Wölfe, die für sich alleine bleiben. Welcher wohl mag Durcs Totem sein?
Als alles gepackt und gebündelt war, luden die junge Frau und das Mädchen sich ihre Lasten auf, und dann gingen sie alle zusammen aus der Höhle. Schnell drückte Iza den kleinen Jungen noch einmal an sich, half Ayla, ihn in die Tragdecke zu packen und holte etwas aus einer Falte ihres Umhangs.
"Das sollst du jetzt tragen, Ayla. Du bist die Medizinfrau des Clans", bedeutete sie der jungen Frau und reichte ihr den rot gefärbten Beutel, in dem die Zauberwurzeln verwahrt waren. "Hast du auch noch jede Handreichung vor Augen? Du darfst keine einzige auslassen. Ich wollte, ich hätte es dir zeigen können, aber nur zum Üben darf der Zaubertrank nicht bereitet werden. Er ist zu heilig, man darf ihn nur bei hohen Feiern reichen. Behalte es im Kopf, nicht die Wurzeln allein bewirken den Zauber, du mußt dich selbst so sorgfältig vorbereiten wie den Trank."
Uba und Ayla neigten die Köpfe, als die junge Frau die kostbare Gabe entgegennahm und in ihren Medizinbeutel steckte. Iza hatte ihr die Tasche aus Otterfell an dem Tage geschenkt, an dem Ayla zur Medizinfrau erhoben worden war. Doch wenn sie die sah, musste sie an jene andere denken, die Creb verbrannt hatte.
Ayla griff zu ihrem Amulett und tastete nach dem fünften Zeichen, das sie jetzt darin trug: den kleinen Brocken lichtschwarzen Braunsteins.
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