Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären
Wasser gab es kaum. An jedem Wasserlauf machten sie halt und füllten ihre Behältnisse. Man konnte nie sicher sein, ob des Abends, wenn das Nachtlager aufgeschlagen wurde, auch Wasser in der Nähe war.
Brun schlug eine Gangart ein, die auch jene mithalten konnten, die nicht so flink auf den Beinen waren, allerdings mit Anstrengung. Sie hatten einen weiten Weg bis zur Gastgeberhöhle, die hoch oben in den Bergen des Festlands lag. Besonders Creb fiel es schwer, Schritt zu halten, doch die Vorfreude auf das Miething und die heiligen Feiern, die er leiten würde, beflügelten ihn. Sein Körper mochte verkrüppelt und verkümmert sein; die Kräfte des Geistes des großen Zauberers beeinträchtigte das nicht. Die Wärme der Sonne und die wohltätigen Kräuter, die Ayla ihm reichte, linderten die Schmerzen in seinen Gelenken, und mit der Zeit kräftigte das ständige Bewegen die Muskeln selbst seines kranken Beines.
Einförmiges Gleichmaß von Aufstehen, Packen, sich auf den Weg machen, Rasten, Lagern, Schlafen und zwischendurch etwas essen bestimmte die Tage der Wanderer. Und mit der vorrückenden Jahreszeit steigerten sich ganz allmählich Trockenheit und Hitze. Die wärmende Sonnenscheibe erglühte zu einem sengenden Rundfeuer, das die Steppen ausdörrte und das Flachland unter dem staubverschleierten, gelblich trüben Himmel mit der lohfarbenen Eintönigkeit graubrauner Erde, strohiggelben Grases und bräunlicher Felsen überzog. Doch nach drei Tagen brannten den Clan-Leuten die Augen von dem Rauch und der Flugasche eines gewaltigen Steppenbrandes, die der Wind ihnen in die Gesichter blies. Von Ferne sahen sie riesige Herden von Bisons, Hirschwild, Pferden und Halbeseln vorbeiziehen.
Lange bevor sie sich dem Sumpfgebiet der Landenge näherten, die das Halbinselland mit dem Festland verband und immer wieder von der seichten Salzsee im Oberland überschwemmt wurde, konnte man weit hinten die mächtige Bergkette erkennen, deren gewaltige Gipfel, von ewigem Eis bedeckt, kalt und unangreifbar der Hitze der Steppe spotteten. Als das Flachland in sanft gewellte Hügel überging, in deren roter, eisenerziger Erde Federgras und Wiesenschwingel wachsen, wusste Brun, dass das Sumpfland nicht mehr weit war.
Zwei Tage lang kämpften die Clan-Leute sich durch modrige, von Mückenschwärmen summende Sümpfe und durch trübes, brackiges Wasser, ehe sie das Festland erreichten. Auf einen Saum niedriger Buchen- und Eichenbüsche folgte schattiger Eichenwald. Dann durchzogen sie ein riesiges Baumgebiet mit Buchen, durchsetzt mit Kastanien, und gelangten zu einem gemischten Waldland aus Eichen, Buchsbaum und Eiben; an den Stämmen mächtiger Bäume rankten Efeu und Klematis empor. Schließlich tauchten die Erdlinge in ein großes Gewälde aus Fichten und Tannen, in dem hier und dort auch noch Buche und Ahorn ihren Platz behaupteten.
Sie sahen Waldbisons weiden, Rotwild davonjagen und Elche vorbeitrotten; auch Wildschweine, Füchse, Dachse, Wölfe, Luchse, Leoparden, Wildkatzen und eine Menge kleineres Getier kam ihnen unter die Augen; aber nicht ein einziges Hörnchen. Ayla hatte gleich das Gefühl gehabt, dass unter diesen Tieren der Festlandberge eines fehlte.
Und dann entdeckten die Clan-Leute ihren ersten Höhlenbären. Blitzschnell hob Brun die Hand, und alles hielt an. Weit streckte er den Arm aus und wies nach vorne auf den massigen, zottigen Bären, der sich den Rücken an einem Baum rieb. Alle Erdlinge waren jetzt zusammengerückt, die Frauen und Kinder in der Mitte, die Männer im Ring außen herum. Selbst die Kinder spürten die Ehrfurcht, mit der die Clan-Leute den gewaltigen Herrscher des Waldes beäugten. Selbst im Sommer, wo er vergleichsweise mager war, wog dieser Pelzriese so viel wie über sechzig Männer. Im Spätherbst, wenn er sich sein Winterfett angefressen hatte, war er noch massiger. Die Männer des Clans überragte er um beinahe drei Manneslängen, und mit seinem mächtigen Kopf und dem zottigen Pelz wirkte er wie ein übermächtiger Dämon. Während der Bär immer noch an dem Baum lehnte und sich träge den Rücken an der rissigen Rinde schabte, schien er der Erdlinge, die so dicht vor ihm angehalten hatten und ihn atemlos anstarrten, gar nicht gewahr zu werden. Gab es doch kaum ein Geschöpf, das er wirklich zu fürchten hatte, und andere beachtete er einfach nicht. Schon oft hatten die Clan-Leute erlebt, wie der kleinere Braunbär, der in dem Hügelland um ihre Höhle hauste, mit einem einzigen Schlag
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