Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären
in die Welt der Schattengeister gehen. Ihren Sohn drückte sie fester an sich. Ich kenne eine Pflanze, die uns beiden den tiefsten Schlaf bringt, den es gibt, aus dem wir niemals wieder erwachen werden. Und gemeinsam wandern wir dann in der nächsten Welt.
Vor Brun ließ sie sich zu Boden sinken und starrte auf die Füße in den schmutzigen Hüllen. Es begann heller zu werden; bald würde sich die Sonne zeigen. Brun muß schnell machen, dachte sie und spürte kurz seine Hand auf ihrer Schulter. Langsam hob sie den Kopf und blickte in des Clan-Führers bärtiges Gesicht.
"Frau", fing er an und hob streng die Hand, "du hast gegen das Clan-Gebot verstoßen und mußt dafür bestraft werden."
Ayla neigte den Kopf. Was er da deutete, war richtig.
"Ayla, Frau dieses Clans und aller Clans, du bist verflucht. Keiner soll dich sehen, keiner soll dich hören. Du hast ab heute gesondert von allen zu leben und darfst einen vollen Mond lang nicht den Wohnkreis dessen, der dich schützt und nährt, verlassen."
Ungläubig starrte Ayla in das unbewegte Gesicht des ClanFührers. Das war der Frauenfluch, nicht der Todesfluch! Sie hatten sie nicht verstoßen; sie hatten sie nur auf einen Mond verbannt. Was tat es ihr, dass keiner im Clan während dieser Tage von ihrem Dasein Kenntnis nehmen würde. Hatte sie doch Iza und Uba und Creb. Und danach konnte sie in den Clan zurückkehren und war wieder wie jede andere Frau. Doch Brun hatte noch nicht geendet.
"Des weiteren ist es dir verboten, auf die Jagd zu gehen, geschweige der Jagd auch nur mit Wort oder Geste Erwähnung zu tun, von nun an bis zu der Zeit, wo wir vom Miething zurückkehren werden. Bis zu jenem Tag, an dem die Blätter von den Bäumen fallen, ist es dir untersagt, nach eigenem Willen umherzustreifen. Ziehst du aus, um heilende Kräuter und Pflanzen zu sammeln, so läßt du es mich wissen und kehrst ohne Verzug zurück. Stets wirst du um Erlaubnis fragen, ehe du die Clan-Höhle verläßt. Und du wirst mir zeigen, wo sich die Höhle befindet, in der du dich versteckt gehalten hast."
"Ja, ja, wie du es wünschst", nickte Ayla eifrig.
Ihr war, als schwebte sie auf einer leuchtenden Wolke. So leicht und froh war ihr ums Herz geworden. Doch die harte Hand des Clan-Führers zerschlug schnell ihre hohe Stimmung.
"Noch offen bleibt die Frage nach deinem mißgestalteten Sohn, der dich in deinen Ungehorsam hineingetrieben hat. Niemals wieder sollst du versuchen, einen Mann oder gar einen Clan-Führer zu zwingen, gegen seinen Willen zu handeln. Keine Frau soll je versuchen, einen Mann zu zwingen", schloß Brun und gab dann ein Zeichen.
Verzweifelt drückte Ayla ihr Kind an sich und blickte dorthin, wo Bruns Blick dem ihren vorausflog. Sie würde sich ihren Sohn nicht nehmen lassen. Da sah sie den Mog-ur aus der Höhle hinken. Als er sein Bärenfell zur Seite warf und sie die rote Schale erkannte, die er fest unter dem Stumpf seines Armes eingeklemmt hielt, gingen ihr fast die Augen über vor Freude und Erleichterung. Zögernd wandte sie sich Brun zu, als wagte sie nicht, ihren Augen zu trauen.
"Aber eine Frau kann bitten", verkündete Brun mit ruhiger Geste. "Der Mog-ur wartet, Ayla. Dein Sohn muß einen Namen haben, wenn er ein Glied des Clans sein soll."
Ayla sprang auf und stürzte zum Mog-ur hin. Sie nahm ihr Kind aus dem Tragfell, sank vor dem Zauberer zu Boden und hielt ihm das Kind entgegen.
Einen Namen! Sie hatte nicht einmal an einen Namen gedacht, hatte sich nicht einmal gefragt, was für einen Namen Creb für ihren Sohn wählen würde.
Mit den heiligen Zeichen rief der Mog- ur die Geister der Totems herbei, tauchte dann die Hand in die Schale.
"Durc", verkündete er laut, um das Geschrei des Kindes zu übertönen. "Der Name dieses Jungen sei Durc", und zog von der Stelle aus, wo sich die Brauenwülste des Kindes trafen, eine rote Linie bis zur Spitze der kleinen Nase.
"Durc", wiederholte Ayla und zog das Kind an sich, um es zu wärmen. Durc, dachte sie, wie der Durc aus Dorvs Geschichte. Creb weiß, dass ich sie immer am liebsten gehabt habe.
Es war kein geläufiger Name, und viele waren verwundert. "Durc", knurrte Brun. Er war der erste, der an ihr vorüberzog. Ayla glaubte, in den Augen des strengen, stolzen Clan-Führers einen Schimmer von Wärme zu sehen. Die meisten Gesichter verschwammen ihr hinter einem Schleier von Tränen. So sehr Ayla sich auch mühte, sie konnte sie nicht unterdrücken und hielt deshalb den Kopf gesenkt, ihre feuchten Auge n zu verbergen. Ich
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