Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären
Höhle zu locken, indem sie ihm eine Wanderung am Bach vorschlug, wie sie sie früher so oft gemeinsam unternommen hatten. Doch er hatte sich schon wieder in sich selbst zurückgezogen. Sie nahm Durc an die Hand und eilte hinaus. Creb blickte erst auf, als er spürte, dass sie fort war. Er griff zu seinem Stab, fand es dann aber beschwerlich, sich zu erheben, und ließ den Stab wieder sinken.
Aylas Gedanken waren bei ihm, als sie sich mit Durc auf ihrer Hüfte, den Sammelkorb auf dem Rücken, auf den Weg machte. Sie wusste, dass Crebs geistige Kräfte nachließen. Häufiger als früher war er mit seinen Gedanken gar nicht da, und oft kam es vor, dass er Fragen wiederholte, die sie ihm schon beantwortet hatte. Selten verließ er die Höhle. Auch Helligkeit und Wärme konnten ihn nicht locken. Und wenn er sich versenkte, um innere Einkehr zu halten, schlief er häufig im Sitzen ein.
Als die Höhle außer Sicht war, wurde Ayla s Schritt freier. Sie ließ Durc herunter, als sie zu einer Lichtung kamen, und begann, verschiedene Kräuter zu pflücken. Der Kleine sah ihr eine Weile zu, packte dann eine Handvoll Gras und Luzerne und riß das Büschel mit den Wurzeln aus der Erde und brachte es ihr.
"Du bist mir eine große Hilfe, Durc", lobte sie, während sie ihm das Büschel abnahm und es in ihren Korb legte.
"Durc holt mehr", gab der Junge zurück und lief schon wieder los.
Sie hockte sich nieder und sah zu, wie ihr Sohn sich mühte, ein noch größeres Büschel Gras aus der Erde zu rupfen. Plötzlich gaben die Wurzeln nach, und er fiel nach hinten. Sein Gesicht verzog sich, als wollte er schreien, doch Ayla lief zu ihm und hob ihn auf und warf ihn hoch in die Luft und fing ihn wieder. Durc jauchzte vor Wonne. Sie stellte ihn auf die Erde und tat so, als wollte sie ihn fangen.
"Ich krieg' dich schon", warnte sie mit vergnüglicher Hand. Durc trappelte auf seinen stämmigen Beinchen davon, so schnell er konnte. Sie ließ ihm einen Vorsprung, dann kroch sie ihm auf allen vieren nach, packte ihn und zog ihn zu sich herunter. Lachend drückte sie Durc und kitzelte ihn, um wieder sein Lachen zu hören.
Ayla lachte mit ihrem Sohn nur, wenn sie allein waren, und Durc fand schnell heraus, dass außer seiner Mutter keiner viel Sinn für sein Lachen hatte.
Er strampelte, um sich aus ihrer Umarmung zu befreien. Nur wenn er an ihrer Seite einschlief, blieb er gern länger in ihren Armen. Sie wischte sich eine Träne aus dem Auge. Weinen wie sie konnte Durc nicht. Er hatte die großen, braunen, tief unter den Brauenwülsten liegenden Augen der Clan-Leute.
"Ma-Ma", sagte Durc. Er nannte sie oft so, wenn sie allein waren. "Jagst du jetzt?" fragte er mit ungeduldiger Hand.
Verschiedentlich schon, wenn sie Durc mitgenommen hatte, hatte sie versucht, ihm zu zeigen, wie er eine Schleuder halten musste. Sie hatte ihm eine machen wollen, aber Zoug war ihr zuvorgekommen. Der alte Mann ging nicht mehr auf die Jagd mit der Schleuder, aber er fand Gefallen daran, den Jungen im Schleudern zu unterweisen. Obwohl Durc noch klein war, sah Ayla schon jetzt, dass er ihr Geschick im Umgang mit der Waffe besaß, und er war auf seine kleine Schleuder so stolz wie auf seinen kurzen Speer.
Er sonnte sich gern in der freundlichen Aufmerksamkeit der anderen, wenn er mit der Schleuder am Gürtel und dem Speer in der Hand durch die Gegend trabte. Als Durc entdeckte, dass gebietendes Gehabe kleinen Mädchen gegenüber beifällig gesehen und sogar den Frauen gegenüber mit Nachsicht geduldet wurde, zögerte er nicht, dies bei jeder Gelegenheit zu zeigen außer Ayla gegenüber.
Durc spürte, dass seine Mutter anders war. Nur sie lachte mit ihm; nur sie spielte das Lautspiel mit ihm, nur sie hatte das feine, weiche Haar, das wie die Sonne so hell war. Sie war höher gewachsen als jeder Mann, und sie ging als einzige unter den Frauen auf die Jagd. Sie war etwas Besonderes. Sie war eine Frau und doch keine Frau, ein Mann und doch kein Mann.
Ayla drückte Durc die kleine Schleuder in die Hände, hielt die ihren darüber und versuchte, ihm zu zeigen, wie es ging. Auch Zoug hatte das schon mit ihm geübt, und langsam bekam der Junge ein Gefühl dafür. Dann zog Ayla ihre eigene Schleuder aus dem Gürtel, suchte ein paar Kieselsteine und schoß sie ab. Als sie kleine Steine auf größere Felsbrocken legte und sie mit der Schleuder herunterschoß, fand Durc das höchst belustigend. Er schleppte ihr eine Handvoll neuer Steine heran, um sie das noch einmal tun zu sehen.
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