Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären
lieber mit einem fremden Mann von einem anderen Clan, aber da will mich ja auch niemand haben.
Soll ich fortgehen? Durc könnte ich mitnehmen. Aber wenn ich dann die Fremdlinge nicht finde? Und wenn mir etwas zustößt? Wer würde Durc dann beschützen? Er wäre ganz allein, so allein wie ich es war vor Zeiten. Nein, ich kann Durc nicht von hier fortbringen. Er ist ein Kind des Clans, auch wenn etwas von mir in ihm wohnt.
Aber ohne Durc könnte ich niemals fortgehen. Lieber will ich mit Broud leben. Ich muß bleiben. Es gibt keinen anderen Ausweg. Ich bleibe und lebe an Brouds Feuer, wenn ich muß.
Ayla blickte auf ihren schlafenden Sohn und kämpfte darum, ihr Schicksal anzunehmen. Eine Fliege landete auf Durcs Nase. Sein Gesicht zuckte. Im Schlaf rieb er sich die Nase, dann wurde er wieder ruhig.
Ich weiß ja gar nicht, wohin ich gehen soll. Im Landesinneren? Welche Richtung soll ich nehmen? Hier, von der Höhle aus, ist überall das Innere des Landes. Es könnte sein, dass ich bis ans Ende meiner Tage umherirren und niemanden finden würde. Und die Fremdlinge könnten so schlecht sein wie Broud. Oda hat erzählt, dass jene Männer sie mit Gewalt genommen haben. Ayla blickte zum Himmel.
Die Sonne steht tief. Ich muß zurück. Sie beugte sich zu ihrem Sohn und weckte Durc. Während sie langsam zur Höhle zurückging, versuchte sie, die Gedanken an die Fremdlinge aus ihrem Hirn zu verbannen. Doch wie dünne Nebelfäden, die sich nicht auflösen wollten, blieben sie dort hängen und ließen sich nicht verdrängen.
"Hast du viel zu tun, Ayla?" fragte Uba mit scheuer Gebärde. Auf ihrem Gesicht lag ein Leuchten, und Ayla glaubte zu wissen warum.
"Nein, komm nur", forderte sie Uba aut.
"Wo ist Durc?" wollte Uba wissen, während Ayla das Feuer schürte und ein paar Kochsteine hineinlegte, um Wasser heiß zu machen.
"Draußen. Mit Grev. Oga schaut nach ihnen. Die beiden sind immer zusammen", gab sie zur Antwort.
"Ja, sie sind wie Brüder, beinahe wie zwei, die zusammen geboren sind."
"Aber zwei, die zusammen geboren sind", schränkte Ayla ein, "sehen oftmals gleich aus. Diese beiden nicht. Und zwei zu nähren ist schon schwer. Ich bin froh, dass Oga Durc mitnähren konnte."
"Ich hoffe, dass auch meine Brüste Quellen werden", gab Uba mit lebhafter Hand zurück. "Ich glaube, ich werde ein Kind kriegen, Ayla."
"Das ahnte ich, Uba. Seit du mit Vorn zusammengegeben wurdest, hat dein Totem nicht mehr gekämpft, ja?"
"Nein. Ich glaube, Vorns Totem hat lange schon gewartet. Es muß sehr stark gewesen sein."
"Hast du es ihn schon wissen lassen?"
"Ich wollte warten, bis ich ganz sicher bin, aber er hat es herausgefunden. Er ist voller Freude", gab Uba mit stolzer Gebärde zu verstehen.
"Ist er dir ein guter Gefährte, Uba?"
"Oh, ja, Ayla, das ist er. Als er sah, dass ich ein Kind bekomme, hat er mir anvertraut, dass er lange auf mich gewartet hat. Er hat schon um mich gefragt, bevor ich zur Frau geworden bin."
"Wie schön, Uba", machte Ayla und fügte aber nicht hinzu, dass er ja außer der jungen Medizinfrau gar keine andere Frau hätte nehmen können. Und warum hätte er mich nehmen sollen? dachte Ayla. Welcher Mann will schon eine große, häßliche Frau nehmen, wenn er Uba haben kann, die wohlgestaltet ist und von Izas Stamm? Was ist mit mir? Ich hatte nie Lust, Vorns Gefährtin zu werden. Ich habe wohl noch immer Angst davor, was aus mir werden wird, wenn Creb nicht mehr hier ist. Ich muß ihn gut pflegen, damit er noch lange bei uns bleibt. Aber oft sieht es so aus, als wollte er es gar nicht mehr. Kaum, dass er noch die Höhle verläßt. Wenn er sich nicht bewegt, wird er sie bald nicht mehr verlassen können.
"Was denkst du gerade, Ayla? Du bist oft so in dich gekehrt."
"Ich war bei Creb. Ich sorge mich um ihn."
"Er ist sehr betagt. Er hat mehr Sommer gesehen als Mutter, und sie ist vor ihm fortgegangen. Mein Herz schreit immer noch nach ihr, Ayla. Ich fürchte den Tag, an dem Creb in die nächste Welt hinübergeht."
"Ich auch, Uba", bedeutete Ayla bedrückt.
Ayla war rastlos. Sie ging häufig zur Jagd, und wenn sie in der Höhle blieb, so schaffte und arbeitete sie unermüdlich. Untätigkeit konnte sie nicht aushalten. Sie sah den Vorrat an heilenden Kräutern durch und ordnete ihn neu. Sie durchstreifte die Wälder und Wiesen nach frischen Pflanzen, um den Bestand zu ergänzen. Sie flocht neue Körbe und Matten, fertigte hölzerne Schalen und Platten, Gefäße aus Rohhaut oder Birkenrinde, machte neue Überwürfe,
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