Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären
enthüllte ihm nicht, dass Uba nicht einen, sondern zwei Söhne geboren hatte, deren Körper miteinander verwachsen waren. Nur Ovra hatte das jammervolle Mißratene gesehen, das kaum als Erdling zu erkennen war.
27
"Willst du heute nacht bei Uba schlafen, Durc?"
"Nein!" gab der Junge mit heftiger Gebärde zurück. "Durc schläft bei Ma-Ma."
"Das ist gut so, Ayla. Ich habe es geahnt. Er war ja den ganzen Tag bei mir", bedeutete Uba. "Woher hat er diesen Namen, mit dem er dich nennt?"
"Es ist ein Name, den er nur für mich hat", gab Ayla zurück und wandte den Kopf ab. Vom ersten Tag ihres Zusammenlebens mit dem Clan hatte sich ihr das Mißfallen der Leute an Lauten und Tönen, die sie als überflüssig empfanden, so fest eingeprägt, dass sie fast immer das Gefühl hatte, etwas Verbotenes zu tun, wenn sie mit ihrem Sohn das Lautspiel spielte. Uba drängte sie nicht, obwohl sie spürte, dass Ayla etwas verbarg.
Ayla schaute Izas Tochter an. "Manchmal, wenn ich mit Durc allein ausziehe, machen wir zusammen Töne mit dem Mund", bekannte Ayla. "Er hat diese Laute für mich ausgesucht. Er kann viele Laute von sich geben."
"Daran ist doch nichts Schlechtes", bedeutete Uba. "Unsere Sprache kann er ja deuten. Ach, wenn diese Wurzeln doch nicht so übel verfault wären", fügte sie verdrießlich hinzu. "Das wird ein karger Festverzehr. Nur Dörrfleisch und Rauchfisch und halb verfaultes Grünzeug. Wenn Brun ein wenig länger warten würde, gäbe es wenigstens noch ein paar frische Triebe und Kräuter."
"Brun allein hat das nicht so bestimmt", klärte Ayla sie auf. "Creb hat ihn wissen lassen, dass die beste Zeit dann ist, wenn nach dem Tag, an dem Tag und Nacht gleich lang sind, wieder ein volles Mondgesicht am Himmel steht."
"Wie weiß er denn, wann Tag und Nacht gleich sind?" fragte Uba verwundert. "Diese verregneten, trüben Tage sehen mir alle gleich kurz aus."
"Ich glaube, er schaut genau, wann die Sonne aufgeht und wann sie untergeht. Sogar wenn es regnet, ist das oft gut zu sehen, und wir haben genug klare Nächte gehabt, wo das Mondgesicht sich zeigte. Creb weiß solche Dinge."
"Ich wünschte, Creb würde Goov nicht zum Mog-ur machen", bedeutete Uba seufzend.
"Mir geht es ebenso", gab Ayla mit bekümmerter Geste zurück. "Auch so sitzt er oft viel zu lange untätig herum. Was will er tun, wenn er keine Feiern mehr abhalten kann? Dieser Festverzehr wird mir gewiß nicht schmecken."
"Ja, es wird mich schon hart ankommen, wenn Brun nicht mehr der Clan-Führer ist und Creb nicht mehr der Mog-ur. Aber Vorn sagt, es ist Zeit, dass die jüngeren Männer die Führung übernehmen. Er findet, Broud hat lange genug gewartet."
"Sicher ist es so, wie er sagt", stimmte Ayla zu. "Vorn hat Broud immer mit Bewunderung angesehen."
"Er ist gut zu mir, Ayla. Er zürnte mir nicht, als ich das Kind verlor. Und er scheint auch dich zu mögen. Er trug mir auf, dich zu bitten, Durc bei uns schlafen zu lassen. Ich glaube, er spürt, wie gern ich ihn bei mir habe", berichtete Uba mit eifrigen Händen. "Selbst Broud hat sich dir gegenüber nicht mehr so zornig und finster gezeigt wie in früheren Jahren."
"Ja, er hat mich in Ruhe gelassen", nickte Ayla.
Von der Bangnis, die sich jedesmal in ihr Herz schlich, wenn Broud sie anblickte, sprach sie nicht.
Lange blieb Creb in jener Nacht mit Goov zusammen in der Wohnstätte der Geister. Ayla, die schon am Morgen mit einem Gefühl der Beklommenheit erwacht war, spür te, wie die Angst ihr das Herz immer fester zusammenpreßte. Ihr war, als rückten die Wände der Höhle immer enger zusammen, und ihr Mund war wie ausgedörrt. Vom Nachtverzehr würgte sie nur ein paar Bissen hinunter, dann sprang sie plötzlich auf und stürzte zum Eingang der Höhle. Sie blickte hinauf zum tiefhängenden, düsteren Wolkenhimmel, aus dem prasselnd der Regen fiel, der kleine Kuhlen in die schlammige Erde höhlte. Durc kroch zu ihrem Lager und schlief schon, als sie ans Feuer zurückkehrte.
Ayla nahm ihn in die Arme und spürte den Schlag seines kleinen mutigen Herzens, doch zu ihr wollte der Schlaf nicht kommen. Mit wachen Augen lag sie da und starrte auf die schattenhaften Gebilde der grauen Felswand. Sie war noch nicht eingeschlafen, als Creb kam, doch sie rührte sich nicht, lauschte reglos dem müden Schlurfen seiner Füße und glitt in einen Traum.
Schreiend fuhr sie hoch.
"Ayla! Ayla!" rief Creb, und schüttelte sie, um sie aus ihrem Traum zu reißen. "Was ist, Kind?" Ängstliche Besorgnis lag in seiner
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