Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären
Clan-Führer stand.
Der Sohn blickte auf und zog den Kopf zwischen die Schultern. Noch nie zuvor hatte er Brun so fürchterlich erregt gesehen, der jetzt mit harten Schritten herankam und sich mühsam beherrschte.
"Du hast dich gehen lassen wie ein kleines Kind, Broud. Wärst du nicht schon der geringste unter den Jägern, so würdest du's jetzt werden. Nicht dir habe ich befohlen, Vorn zu unterweisen, es war Zougs Aufgabe." Die Augen des ClanFührers sprühten Funken. "Und du willst ein Jäger sein? Du bist nicht einmal ein Mann. Vorn bezwingt sich besser als du. Und eine Frau übt mehr Selbstbeherrschung. Vergiss nicht: Du solltest mir nachkommen. Willst du so deine Männer führen? Glaubst du, du kannst anderen befehlen, wenn du dir selbst nicht befehlen kannst? Zoug hat recht, Broud. Du bist ein Kind, das von sich denkt, es wäre ein Mann."
Brouds Kopf war auf die Brust gesunken. Wenn sich doch nur eine Erdspalte öffnete und ihn verschlänge! Noch nie war er so gescholten, so tief gedemütigt worden, und das auch noch vor allen Männern - und Vorn. Am liebsten hätte er die Flucht ergriffen und sich in ein Mauseloch versteckt; und lieber einem Höhlenlöwen gegenübergestanden als diesem harten selbstbeherrschten Mann. Gerade weil Brun so selten Regungen zeigte, war es um so niederschmetternder, den offenen Zorn des Clan-Führers auf sich gezogen zu haben. Gewöhnlich genügte ihm ein durchdringender Blick, und jeder im Clan, ob Mann oder Frau, gehorchte. Broud wagte nicht, die Augen aufzuschlagen.
Brun hob kurz den Blick zur Sonne, dann gab er das Zeichen zum Aufbruch. Die anderen Jäger, die sich unbehaglich zurückgezogen und dennoch mit angesehen hatten, wie Brun den Jüngsten unter ihnen zurechtstutzte, reihten sich erleichtert und dem Rang gemäß hinter dem Clan-Führer ein, der schnellen Schrittes den Rückweg zur Höhle antrat, Broud als letzter.
Ayla kauerte immer noch reglos im dürren Geschlinge und wagte kaum zu atmen. Todesangst lahmte sie, dass die Männer ihrer gewahr werden würden. Niemals, das wusste sie, hätte eine Frau das Vorgefallene sehen dürfen. Niemals wäre Broud im Beisein einer Frau so schlimm gescholten worden. Denn in Gegenwart der Frauen gaben sich die Männer als Felsblock der Einigkeit, die durch nichts ins Wanken zu bringen war. Doch jetzt hatte das Mädchen etwas erfahren, wovon es zuvor noch nichts geahnt: die Männer waren gar nicht die mächtigen, freien Beherrscher, die sich alles erlauben konnten. Auch sie mussten sich unterwerfen, auch sie konnten gedemütigt werden. Allein Brun schien Ayla allmächtig zu sein und nach eigenem Willen walten zu können.
Lange blieb Ayla in ihrem Versteck hocken, aus Angst, die Männer würden zurückkehren. Und immer noch schlug ihr Herz beklommen, als sie sich hinter dem Baum hervorwagte. Die volle Bedeutung dessen, was sie über die Männer des Clans erfahren hatte, ging ihr zwar nicht auf, aber eines war ihr klar: Broud war gescholten und gedemütigt worden wie eine Frau, und das gesehen zu haben war wie Balsam auf die Wunden ihres Herzens. Bitterer Hass war in ihrer Brust gegen den jungen Jäger gewachsen, der ständig auf ihr herumhackte und auch den kleinsten Anlass wahrnahm, sie zu knuffen und zu schlagen. Nie konnte sie es ihm recht machen, sie mochte sich mühen, soviel sie wollte.
Die einzelnen Bilder des Vorfalls noch vor Augen, lief Ayla rasch über die Lichtung. Als sie sich dem Pfosten näherte, sah sie dort die Schleuder liegen, die Broud in seiner Wut weggeworfen hatte. Keinem war eingefallen, sie aufzuheben und mitzunehmen. Ayla blieb stehen und blickte auf die Schleuder, erkühnte sich aber nicht, sie anzurühren. Es war eine Waffe. Die Angst, Brun könnte mit ihr ähnlich umspringen wie mit Broud, wenn sie dies tat, hielt sie zurück. Reglos starrte sie das schlaffe Lederband an und stellte sich vor, wie sehr Zoug sich abgemüht hatte. Vorn den Umgang mit der Schleuder zu zeigen. War es wirklich so schwierig, mit dem Ding umzugehen? Und würde sie sich wohl anstelliger zeigen, wenn Zoug sie unterwiese?
Der Atem stockte ihr vor Entsetzen ob dieses tollkühnen Gedankens, und angstvoll blickte sie um sich, ob sie dabei auch niemand beobachtet hatte. Nicht einmal Broud, der sonst immer alles konnte, hatte den Pfosten getroffen. Sie sah ihn vor sich, wie er immer wütender geworden war, und noch einmal Zougs schneidende Bewegungen, wie sie Hohn und Spott auf Broud häuften, und flüchtiges, schadenfrohes Lächeln
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