Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde
sein müßtest – nur wie weit, wußten wir nicht.«
»Wer hat denn den halben Fisch genommen?« fragte Dolando.
»Den habe ich verschenkt.«
»Verschenkt? An wen denn?« fragte Markeno.
»An wen hast du ihn den verschenken können?« fügte Carolio noch hinzu.
»An einen Flachschädel.«
»Einen Flachschädel?« wiederholten viele Stimmen wie aus einem Mund. »Wieso kommst du dazu, die Hälfte von einem so großen Fisch einem Flachschädel zu schenken?« fragte Dolando.
»Er hat mir geholfen und darum gebeten.«
»Was für einen Unsinn erzählst du da! Wie sollte ein Flachschädel um etwas bitten?« sagte Dolando. Er war zornig, was Jondalar verwunderte. Der Anführer der Sharamudoi zeigte selten seinen Zorn. »Wo ist er?«
»Jetzt ist er fort, irgendwo im Wald. Ich war naß und klapperte dermaßen mit den Zähnen, daß ich glaubte, nie wieder warm zu werden. Da tauchte plötzlich dieser junge Flachschädel auf und führte mich an sein Feuer …«
»Feuer? Seit wann machen Flachköpfe Feuer?« fragte Thonolan.
»Ich habe Flachköpfe erlebt, die das Feuer kannten«, sagte Barono.
»Und ich bin ihnen auf dieser Seite des Flusses auch schon begegnet. Wie viele waren es?« wollte Dolando wissen.
»Nur der Junge und eine ältere Frau. Vielleicht seine Mutter«, erwiderte Jondalar.
»Wenn sie ihre Frauen dabei haben, sind sie zu mehreren.« Der untersetzte Anführer warf einen suchenden Blick umher. »Vielleicht sollten wir zu einer Jagd auf die Flachschädel aufrufen und mit diesem Gezücht aufräumen.«
Dolandos Stimme hatte etwas Häßliches und Bedrohliches, daß Jondalar hellhörig wurde. Es war nicht das erste Mal, daß er feindselige Untertöne herausgehört zu haben meinte, wenn der Anführer von den Flachschädeln gesprochen hatte, doch noch nie mit dieser Heftigkeit.
Wer Anführer bei den Sharamudoi wurde, mußte Können beweisen und überzeugen. Dolando wurde stillschweigend als Anführer anerkannt, nicht, weil er alles am besten konnte, sondern weil er grundsätzlich fähig war, es verstand, Menschen anzuziehen und mit Problemen fertigzuwerden, wenn sie sich stellten. Er befahl nicht; er schmeichelte, drohte, überzeugte und schloß Kompromisse und lieferte im allgemeinen das Öl, um die Wogen zu glätten, die unvermeidlich hochgingen, wo Menschen, die zusammenlebten, sich aneinanderrieben. Er war politisch klug, besaß Durchsetzungsvermögen, und für gewöhnlich wurde seine Entscheidungen auch akzeptiert; doch an sie gebunden war keiner. Die Auseinandersetzungen darüber konnten sehr lautstark geführt werden.
Er war selbstbewußt genug, seine Ansichten durchzusetzen, wenn er überzeugt war, daß sie richtig wären, sich aber notfalls auch an jemand anders wenden, der über mehr Wissen oder Erfahrung auf einem bestimmten Gebiet verfügte. Im allgemeinen hielt er sich aus persönlichen Streitereien heraus, es sei denn, die Streitenden gerieten außer Rand und Band und jemand rief ihn dazu. Wenn auch im allgemeinen leidenschaftslos, konnte Grausamkeit, Dummheit oder Sorglosigkeit, welche die Höhle insgesamt bedrohten, durchaus seinen Zorn erregen; das galt auch, wenn jemand sich nicht verteidigen konnte. Und für Flachschädel. Er haßte sie. Für ihn waren sie nicht nur bloß Tiere, sondern gefährliche, tückische Tiere, die ausgerottet werden sollten.
»Ich habe gefroren«, erhob Jondalar Einspruch, »und da hat er mir geholfen. Er hat mich an sein Feuer gebracht, und sie haben mir ein Fell gegeben. Von mir aus hätte er auch den ganzen Fisch haben können, aber er hat nur die Hälfte genommen. Ich jedenfalls werde mich an einer Flachschädel-Jagd nicht beteiligen.«
»Normalerweise machen sie keine Scherereien«, sagte Barono. »Aber gut zu wissen, daß welche in der Gegend sind. Gerissen sind die. Jedenfalls ist es nicht ratsam, sich von einem Rudel überraschen zu lassen …«
»Blutrünstige Tiere sind das …«, sagte Dolando.
Barono kümmerte sich nicht um die Zwischenrufe. »Wahrscheinlich hast du Glück gehabt, daß es ein junger Flachschädel und ein Weibchen war. Die Weibchen kämpfen nicht.«
Thonolan gefiel die Richtung, welche die Unterhaltung nahm, gar nicht. »Und wie bringen wir jetzt diesen prächtigen Halbfang meines Bruders nach Hause?« Er mußte daran denken, wie es ausgesehen hatte, als der Fisch Jondalar hinter sich hergezogen hatte, und verzog das Gesicht zu einem Grinsen. »Nach dem Kampf, den der dir geliefert hat, wundert es mich, daß du den halben Fisch hast laufen
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