Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde
sich des Gefühls nicht erwehren, daß der Jüngling der Frau in der Tat befohlen hatte, Holz herbeizubringen. Auf irgendeine Weise mußte er ihr das zu verstehen gegeben haben. Jondalar wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Jüngling zu und hatte ausgesprochen den Endruck von Feindseligkeit. Er wußte nicht, was sich plötzlich geändert hatte; er wußte nur, daß es dem jungen Mann offensichtlich nicht gefallen hatte, daß er die Frau gemustert hatte. Er war überzeugt, eine falsche Bewegung in ihre Richtung, und er wäre in größten Schwierigkeiten. Es war nicht klug, den Flachschädelfrauen zuviel Aufmerksamkeit zu schenken. Jedenfalls nicht in Gegenwart von Flachschädelmännern, welchen Alters auch immer.
Die Spannung legte sich, als Jondalar keinerlei Anstalten machte, sich mit der Frau zu beschäftigen oder sie weiterhin anzusehen. Während er dem Flachschädel Auge in Auge gegenüberstand, spürte er, daß sie Maß aneinander nahmen und, was beruhigender war, daß er einem Mann gegenüberstand. Dabei sah dieser Mann ganz anders aus als alle Männer, die er kannte. Auf all seinen Reisen waren alle diejenigen, denen er begegnet war, deutlich erkennbar Menschen gewesen. Gewiß, sie hatten verschiedene Sprachen gesprochen und unterschiedliche Sitten und Gebräuche gehabt und in unterschiedlichen Unterkünften gelebt – aber sie waren Menschen gewesen.
Bei diesem hier war das anders; aber war er ein Tier? Er war viel kleiner und gedrungener als er, doch seine nackten Füße sahen genauso aus wie die seinen. Zwar hatte er leichte O-Beine, doch ging er aufrecht wie jeder andere Mensch auch. Zwar war er ein wenig behaarter als üblich, zumal auf Armen und Schultern, dachte Jondalar, doch ein Fell konnte man das eigentlich nicht nennen. Er kannte ein paar Männer, die genauso behaart waren. Der Flachschädel hatte einen kolossalen Brustkorb, der schon jetzt eine gewaltige Kraft verriet; so jung er offensichtlich war, es schien Jondalar nicht geraten, sich mit ihm anzulegen. Doch waren die Flachschädelmänner trotz ihrer gewaltigen Muskulatur immer noch genau wie Menschen. Das Gesicht, der Kopf – da lag der Unterschied. Doch was für ein Unterschied? Er hatte mächtige Brauenwülste, und die Stirn war bei ihm nicht so hoch wie bei Jondalars Artgenossen, und außerdem floh sie; dabei hatte er einen großen Kopf. Kurzer Hals, kein Kinn, gerade, daß der Unterkiefer ein bißchen vorspringt, dazu die Nase mit dem breiten Jochbein. Er hat ein menschliches Gesicht, das zwar niemand ähnelt, den ich kenne, aber immerhin: aussehen tut es wie ein menschliches Gesicht. Und außerdem kennen sie das Feuer!
Nur sprechen tun sie nicht, und sprechen tun alle Menschen. Ich möchte mal wissen … haben sie sich miteinander verständigt? Große Doni! Er hat sich ja sogar mit mir verständigt! Wieso hat er gewußt, daß ich ein Feuer brauche? Und wieso sollte ein Flachschädel einem Menschen helfen? Jondalar war verwirrt.
Der junge Mann schien sich zu etwas durchgerungen zu haben. Er machte plötzlich dieselbe einladende Bewegung wie vorhin, da er Jondalar zum Feuer gebracht hatte, und verließ dann die Lichtung in der Richtung, aus der sie gekommen waren. Er schien zu erwarten, daß der Mensch ihm folge, was Jondalar auch tat, der froh war, den Wolfspelz um die Schultern zu haben, als er das Feuer in seinen noch feuchten Kleidern verließ. Als sie sich dem Fluß näherten, lief der Flachschädel voran, stieß rauhe Laute aus und wedelte mit den Armen. Ein kleines Tier huschte davon, doch war der Stör immerhin schon angenagt. Es lag auf der Hand, so groß er war, wenn man ihn unbewacht zurückließ, würde der Fisch nicht lange halten.
Der Ärger des jungen Mannes über das aasfressende Tier gab Jondalar unversehens Aufschluß über etwas. Sollte der Fisch der Grund dafür sein, daß der Flachschädel ihm geholfen hatte? War es möglich, daß er etwas von dem Fisch haben wollte?
Der Flachschädel griff in eine Falte seines Überwurfs, holte einen Feuerstein mit scharfer Schneide hervor und tat so, als wolle er den Stör zerschneiden. Dann deutete er mit Gebärden an: etwas für dich und etwas für mich. Dann setzte er eine abwartende Miene auf. Also war es klar. Für Jondalar stand es außer Zweifel, daß der Jüngling einen Anteil vom Fisch haben wollte. Eine Fülle von Fragen bedrängte ihn.
Woher hatte der Flachschädel das Werkzeug? Jondalar hätte es sich gern näher betrachtet, doch wußte er auch jetzt schon, daß es nicht
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