Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde
was braucht es noch, dich zu überzeugen? Daß sie
den Anstand besitzt, dir ein paar Vorräte zur Verfügung zu stellen, bedeutet noch lange nicht, daß sie etwas von dir will … insbesondere nicht das will. Gestern war sie verletzt und gekränkt, weil du nicht … Doch das war, bevor du alles zerstört
hast!
Er dachte nicht gern darüber nach. Er wußte, was er
empfunden, was sie gesehen haben mußte – den Ekel. Und was
hat sich heute verändert? Sie hat unter den Flachschädeln gelebt,
vergiß das nicht! Jahrelang. Ist zu einer von ihnen geworden.
Und einer von ihren Männchen …
Er brachte absichtlich alles Hassenswerte, Besudelte und
Unreine heraus, was in seinem Lebensbereich als solches galt.
Ayla stellte all dies dar! Als er sich als Junge zusammen mit
anderen Jungen hinter Büschen versteckt und sie einander die
schmutzigsten Wörter gesagt hatten, die sie kannten, hatte
›Flachschädel- Weib‹ dazugehört. Als er älter war – nicht viel
älter, aber immerhin älter genug, um zu wissen, was ›FrauenMacher‹ bedeutete –, trafen sich dieselben Jungen in dunklen
Ecken der Höhle, um halblaut über Mädchen zu reden, dreckig
lachend Pläne zum Raub eines Flachschädel-Weibs auszuhecken
und sich gegenseitig mit den Folgen zu schrecken, die das haben
sollte.
Doch selbst da war die Vorstellung von einem FlachschädelMännchen und einer Menschen-Frau ein Unding gewesen. Erst
als er ein junger Mann geworden war, hörte er es erwähnen, und
auch da noch so, daß ja kein Älterer davon erfuhr. Wenn junge
Männer wieder zu kichernden Jungen werden wollten und sich
die schmutzigsten und derbsten Geschichten erzählten, die sie
sich ausdenken konnten, ging es immer um FlachschädelMännchen und Menschen-Frauen, und was einem Mann
blühte, wenn er hinterher mit einer solchen Frau die Wonnen
teilte, selbst wenn er nichts davon wußte – besonders dann. Das
war ja gerade der Witz.
Freilich, über Monstren wurden keine Witze gerissen, auch
nicht über die Frauen, die sie zur Welt brachten. Das waren
verderbte Wechselbälger, eine Plage, die über das Land
hereinbrach, so daß selbst Die Mutter, die Schöpferin allen
Lebens, sich davor ekelte. Und die Frauen, die sie zur Welt
brachten, waren unberührbar.
Konnte Ayla das sein? War es möglich, daß sie besudelt war?
Unrein? Dreck und von Übel? Ausgerechnet die aufrichtige,
offene Ayla? Die über die Gabe der Heilkunst gebot? Die so klug
und unerschrocken war, und dabei sanft und schön? Konnte
jemand, der so schön war wie sie, unrein sein?
Ich glaube, sie würde nicht einmal begreifen, was das
bedeutet. Was aber würde jemand denken, der sie nicht kannte?
Was, wenn sie ihr begegneten und sie ihnen ohne jedes Arg
erzählte, wer sie großgezogen hatte? Ihnen von dem … Kind
erzählte? Was würden die Zelandonii davon halten? Oder
Marmona? Selbstverständlich würde sie ihnen das erzählen!
Würde ihnen von ihrem Sohn erzählen und für ihn eintreten.
Ich glaube, Ayla könnte sich gegen jeden zur Wehr setzen, selbst
gegen einen Zelandoni. Bei dem Geschick, mit dem sie heilte,
und der Art, wie sie mit Tieren umging, könnte man sie selbst
für einen Zelandoni halten. Aber wenn Ayla nicht von Übel ist,
dann stimmt nichts, was über die Flachschädel gesagt wird. Und
das wird niemand mir glauben.
Jondalar hatte nicht weiter darauf geachtet, wo er hinging und
erschrak, als er die weiche Schnauze in seiner Hand spürte. Er
hatte die Pferde nicht gesehen. Er blieb stehen und kraulte und
kratzte den Junghengst. Winnie zog langsam in Richtung Höhle
dahin und graste unterwegs. Als der Mann ihm einen letzten
Klaps gab, sprang das Hengstfohlen zu ihr voraus. Jondalar
hatte es nicht eilig, Ayla wieder gegenüberzutreten.
Aber Ayla war nicht in der Höhle. Sie war ihm um die
Felswand herum gefolgt und hatte ihm nachgeblickt, wie er das
halbe Tal hinuntergerannt war. Ihr war selbst manchmal nach
rennen, doch fragte sie sich, was ihn denn plötzlich dazu
brachte, so hart zu laufen? War sie das? Sie legte eine Hand über
die heiße Erde auf der Feuergrube und ging hinterher zu dem
großen Felsen hinüber. Jondalar war wieder ganz in Gedanken
versunken, daß er überrascht war, als er aufblickte und die
beiden Tiere sie umringen sah.
»Es … es tut mir leid, Ayla. Ich hätte nicht weglaufen sollen.« »Auch ich muß manchmal laufen. Gestern habe ich Winnie
für mich laufen lassen. Sie kommt weiter.«
»Auch das tut mir leid.«
Sie nickte. Wieder Höflichkeit, dachte sie, Sitte
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