Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde
und Brauch.
Was bedeutet das wirklich? Schweigend lehnte sie sich an
Winnie, und das Pferd ließ seinen Kopf über ihre Schulter
hängen. Jondalar hatte sie schon früher in dieser Haltung
gesehen, wenn Ayla durcheinander war. Sie schienen einander
dann Halt zu geben. Ihm selbst bereitete es ja auch eine gewisse
Genugtuung, das Hengstfohlen zu streicheln.
Aber das junge Pferd war zu ungeduldig, um Tatenlosigkeit über längere Zeit ertragen zu können, so sehr es liebte, wenn man sich mit ihm beschäftigte. Es warf den Kopf in die Höhe, hob den Schweif und sprengte davon. Dann bockte es, fuhr herum und stupste den Mann an, gleichsam, als ob es ihn zum Spielen aufforderte. Ayla und Jondalar mußten beide lachen, und damit war die Spannung gebrochen.
»Du wolltest ihm einen Namen geben«, sagte sie. Es war nichts weiter als eine Feststellung und wurde auch nicht in drängendem Ton vorgebracht. Wenn er dem Hengst jetzt keinen Namen gab, würde vermutlich sie es tun.
»Ich weiß nicht, wie ich ihn nennen soll. Ich habe mir noch nie einen Namen ausdenken müssen.«
»Das ist mir genauso ergangen, bis Winnie kam.«
»Und was war mit deinem … Sohn? Hast du dem keinen Namen gegeben?«
»Das hat Creb getan. Durc war der Name eines jungen Mannes in einer Legende. Die habe ich immer am liebsten von allen Legenden und Geschichten gehört, und das wußte Creb. Ich glaube, er hat den Namen Durc gewählt, um mir eine Freude zu machen.«
»Ich habe ja gar nicht gewußt, daß dein Clan Legenden hatte. Wie erzählt man denn eine Geschichte, ohne zu sprechen?«
»Genauso wie du eine mit Worten erzählen würdest, nur, daß es in mancher Beziehung leichter ist, etwas zu zeigen als es zu sagen.«
»Das stimmt wohl«, sagte er und überlegte, was für Geschichten sie einander wohl erzählten oder vielmehr zeigten. Wer hätte gedacht, daß Flachschädel imstande waren, sich Geschichten auszudenken!
Beide verfolgten sie mit den Augen, wie der junge Hengst – den Kopf vorgestreckt und den Schweif erhoben – das Galoppieren genoß. Was für ein Renner, dachte Jondalar.
»Renner!« sagte er. »Was hältst du davon, wenn wir ihn Renner nennen?« Er hatte das Wort so oft im Zusammenhang mit dem Füllen gebraucht, daß es zu passen schien.
»Mir gefällt das. Renner ist ein guter Name. Aber wenn er schon so heißen soll, so muß das auch richtig gemacht werden.« »Und wie macht man das?«
»Ich bin mir nicht sicher, ob es auch wirklich das Richtige für ein Pferd ist, aber ich habe Winnie den Namen so gegeben, wie es bei den Kindern im Clan gemacht wird. Ich werde es dir zeigen.«
Die Pferde hinter sich, führte sie ihn an eine Stelle auf der Steppe, die früher einmal ein Flußbett gewesen war, das jetzt jedoch schon so lange trocken lag, daß es zum Teil mit Geröll ausgefüllt worden war. Auf der einen Seite war der Boden ausgewaschen worden und ließ waagerechte Bodenschichten erkennen. Zu Jondalars Verwunderung stocherte sie mit einem Stecken in einer Ockerschicht herum und hob dann die dunkle braunrote Erde mit beiden Händen in die Höhe. Wieder am Fluß, verrührte sie die rote Erde mit Wasser zu einem schlammigen Brei.
»Creb hat die rote Farbe mit dem Fett des Höhlenbären vermischt, doch das habe ich nicht, und ich denke auch, einfacher Schlamm ist für ein Pferd besser geeignet. Der trocknet und läßt sich leicht wieder abbürsten. Worauf es ankommt, ist doch die Namensgebung. Du mußt jetzt seinen Kopf festhalten.«
Jondalar winkte. Das Hengstfohlen wollte herumtollen, verstand die Geste jedoch. Es stand still, und der Mann legte ihm den Arm um den Hals und kraulte es. Ayla vollführte ein paar Gebärden in der Alten Sprache, mit der sie um die Gunst der Geister bat. Sie wollte es nicht allzu ernst machen, denn sie war immer noch nicht ganz sicher, ob die Geister es nicht übel nahmen, wenn man einem Tier einen Namen gab, obwohl das Winnie nicht schlecht bekommen war. Sie nahm eine Handvoll roten Schlamm.
»Der Name dieses jungen Hengstes ist Renner«, sagte sie und vollführte gleichzeitig die entsprechenden Gebärden. Dann schmierte sie feuchte rote Erde über sein Gesicht, von der weißen Blesse auf der Stirn bis zu seiner ziemlich langen Nase.
Das ging so schnell und war beendet, ehe das Füllen sich Jondalars Umarmung entwinden konnte. Es sprengte davon, warf den Kopf ruckend in die Höhe und versuchte, sich von der ungewohnten Feuchtigkeit zu befreien. Dann stieß es Jondalar an und hinterließ einen roten Fleck auf
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