Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde
fertigen. Wenn sie erstmal Kinder
haben, gehen Zelandonii-Frauen nur noch selten auf die Jagd.
Aber wenn sie es in ihrer Jugend gelernt haben, sind sie darüber
im Bilde, wie Waffen gebraucht werden. Viele Werkzeuge und
Waffen gehen auf der Jagd verloren oder entzwei. Ein Mann,
dessen Gefährtin weiß, wie man neue macht, leidet nie Mangel
an Nachschub. Außerdem stehen Frauen Der Mutter näher.
Deswegen meinen manche Männer, von Frauen gefertigte
Waffen bringen mehr Glück. Hat aber ein Mann Pech – oder ist
er ungeschickt –, wird er die Schuld immer auf den
Werkzeugmacher schieben, besonders, wenn der eine Frau ist.« »Könnte ich es lernen?«
»Jeder, der Werkzeuge herzustellen versteht wie du, kann auch
lernen, sie auf meine Weise zu fertigen.«
Damit beantwortete er ihre Frage ein wenig anders, als sie sie
gemeint hatte. Daß sie die Kunst des Steinschlagens erlernen
konnte, wußte sie – sie hatte nur wissen wollen, ob es auch
statthaft sei. Doch seine Antwort ließ sie innehalten und
stimmte sie nachdenklich.
»Nein … ich glaube nicht.«
»Selbstverständlich kannst du es lernen.«
»Ich weiß, daß ich es lernen kann, Jondalar, aber nicht jeder,
der Werkzeuge auf die Clan-Weise macht, kann lernen, sie auf
deine Weise zu fertigen. Manche könnten das. Ich glaube,
Droog könnte das. Aber alles Neue ist sehr schwierig für sie. Sie
lernen aus ihren Erinnerungen.«
Im ersten Augenblick dachte er, sie scherze, doch war das
durchaus ernst gemeint. Sollte sie recht haben? Sollte es sich
erweisen, daß – vorausgesetzt, man gäbe ihnen die Möglichkeit
– Flach …, daß Clan-Werkzeugmacher vielleicht nicht unwillig,
wohl aber unfähig waren zu lernen?
Plötzlich ging ihm auf, daß er sie vor noch gar nicht langer
Zeit überhaupt für unfähig gehalten hatte, Werkzeuge zu
machen. Sie stellten Werkzeug her, sie verständigten sich
untereinander und nahmen ein fremdes Waisenkind bei sich
auf. Er hatte in den letzten paar Tagen mehr über die
Flachschädel erfahren, als irgendeiner – mit Ausnahme Aylas –
von ihnen wußte. Vielleicht war es einmal von Nutzen, noch
mehr über sie zu wissen. Es schien mehr an ihnen dran zu sein,
als irgend jemand klar war.
Beim Gedanken an die Flachschädel fiel ihm plötzlich der
gestrige Tag wieder ein, und das stürzte ihn in größte
Verlegenheit. Da sie beide sich ganz auf das Werkzeugmachen
konzentrierten, war es ihm ganz entfallen. Er hatte die Frau
angesehen und weder wahrgenommen, wie ihre goldenen Zöpfe
im Sonnenlicht schimmerten und einen auffallenden Gegensatz
zu ihrer tiefgebräunten Haut bildeten, noch daß ihre Augen
blaugrau leuchteten wie die Farbe von feinem Flint.
Ach, Mutter, war sie schön! Er wurde sich prickelnd bewußt,
wie nahe sie bei ihm saß, und er spürte, wie es sich in seinen
Lenden rührte. Er hätte die plötzliche Verlagerung seines Interesses nicht verdrängen können, und wenn er sich noch so
sehr darum bemüht hätte.
Ayla spürte den Stimmungsumschwung; die Veränderung, die
in ihm vorging, flutete über sie hinweg und traf sie gänzlich
unvorbereitet. Wie konnten die Augen eines Menschen nur so
blau sein? Weder der Himmel, noch die Enzianblüten, die in der
Nähe der Clanshöhle auf den Bergmatten blühten, waren von
dieser intensiven, vibrierenden Schattierung. Sie spürte, wie das
… wie das Gefühl sich in ihr regte. Ihr ganzer Körper kabbelte,
sehnte sich schmerzlich nach seiner Berührung. Sie saß
vorgeneigt da, von ihm angezogen, zu ihm hingedrängt, und es
bedurfte einer äußersten Willensanstrengung, die Augen zu
schließen und sich zurückzunehmen.
Warum sieht er mich so an, wo ich doch ein … ein Monstrum
bin? Wo er es nicht fertigbringt, mich zu berühren, ohne
zurückzuzucken, als ob er sich verbrannt hätte? Ihr Herz
hämmerte; sie atmete schwer, als ob sie gelaufen wäre, und sie
bemühte sich, ihren Atem langsamer gehen zu lassen. Sie hörte ihn aufstehen, ehe sie die Augen wieder aufmachte.
Der Lederschurz war beiseitegeworfen, die sorgfältig
geschlagenen Messerschneiden ringsum verstreut. Mit steifen
Bewegungen sah sie ihn davongehen; er hatte die Schultern
zusammengezogen, bis er hinter der Wand verschwand. Ihm
schien elend zumute zu sein, genauso elend wie ihr.
Nachdem er die Wand hinter sich hatte, verfiel Jondalar in
Laufen. Er rannte, bis seine Beine schmerzten und er keuchend
nach Atem rang; dann verlangsamte er und kam allmählich zu
einem Halt. Schwer atmend, senkte und hob sich sein
Brustkorb.
Du Tor,
Weitere Kostenlose Bücher