Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde
einzuprägen.
Nachdem er noch einige Werkzeuge ähnlich jenen gefertigt hatte, die sie bereits kannte, schüttelte er den von Ayla erbetenen Schutzschurz über dem Rand des Simses aus und zog das trogähnliche Gefäß heran. Er entnahm ihm einen langen Knochen, wischte ihn ab und drehte den Vorderbeinknochen in der Hand. Wo sollte er anfangen? Sich niedersetzend, stemmte er den Knochen gegen den Fuß, nahm den spitzen Meißel und ritzte der Länge nach eine Linie hinein. Dann ritzte er eine zweite Linie hinein, die in spitzem Winkel auf die erste zulief, und zum Schluß eine dritte, die die Basis eines länglichen Dreiecks abgab.
Nun zog er die erste Linie nach, wischte einen langen geringelten Knochenspan weg, fuhr fort, jedesmal tiefer in den Knochen eindringend mit der Meißelspitze die vorgezeichneten Linien nachzuziehen und zuletzt bis zum hohlen Kern des Knochens vorzustoßen. Er zog alles noch ein letztesmal nach, um zu gewährleisten, daß auch wirklich alles frei war, und übte dann an der Basis Druck aus. Die lange Spitze des Dreiecks fuhr hoch, und er holte das freigelegte Stück heraus. Nachdem er es beiseitegelegt hatte, wandte er sich nochmals dem Knochen zu, und ritzte eine neue Linie hinein, die spitz auf eine der zuvor herausgeritzten Seiten zulief.
Ayla sah gebannt zu und wollte sich nichts entgehen lassen. Doch nach den ersten paar Malen war es reine Wiederholung, und ihre Gedanken wandten sich wieder ihrer Frühstücksunterhaltung zu. Ihr ging auf, daß Jondalars Einstellung sich verändert hatte. Das ging nicht aus irgendeiner bestimmten Bemerkung hervor, sondern war vielmehr der Grundtenor all dessen, was er sagte.
Ihr fiel ein, daß er gesagt hatte: »Deine Iza hätte Marthona gefallen«, und etwas darüber, daß alle Mütter einander gleich wären. Seine Mutter würde einen Flachschädel gemocht haben? Sie ähnelten einander? Später hatte er dann sogar von Broud als einem Mann gesprochen – dabei war er aufgebracht gewesen –, einem Mann, der ihr den Weg gebahnt hatte, ein Kind zu bekommen. Außerdem hatte er gesagt, er könne nicht verstehen, wie »diese Leute« das hätten geschehen lassen. Ihm selbst war das gar nicht aufgegangen, und das hatte sie am meisten gefreut. Wenn er jetzt an den Clan dachte, dachte er an Menschen. Und nicht an Tiere, Flachschädel oder Monstren – Menschen!
Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Mann zu, der jetzt etwas anderes machte. Er hatte einen von den Knochendreiecken und einen scharfkantigen, kräftigen Feuersteinschaber genommen und glättete die scharfen Ränder der Knochenstücke, wobei lange Knochenspäne sich ringelten. Es dauerte nicht lange, und er hielt einen runden Knochenteil in die Höhe, der in einer scharfen Spitze auslief.
»Jondalar … machst du einen … Speer?«
Er grinste. »Knochen läßt sich genauso anspitzen wie Holz, nur ist er härter und splittert nicht so leicht. Außerdem ist Knochen leicht.«
»Aber ist das nicht ein sehr kurzer Speer?«
Er ließ ein mächtiges, warmherziges Lachen ertönen. »Das wäre es wohl, wenn das alles wäre. Im Augenblick mache ich ja bloß die Spitzen. Manche stellen sie aus Flint her. Zum Beispiel die Mamutoi, besonders wenn sie Mammuts damit jagen wollen. Flint ist spröde und bricht, aber mit seinen messerscharfen Rändern durchdringt so ein Feuersteinspeer das zähe Mammutfell leichter. Doch für die Jagd auf die meisten anderen Tiere ist eine Speerspitze aus Knochen vorzuziehen. Die Schäfte werden aus Holz gemacht.«
»Und wie bringst du sie zusammen?«
»Schau«, sagte er und drehte die Spitze um, um ihr das untere Ende zu zeigen. »Dieses Ende kann ich mit einem Meißel und einem Messer spalten und das Ende des Schaftes so zuschnitzen, daß er in den Spalt hineinpaßt.«
Er führte ihr das vor, indem er den Zeigefinger der einen Hand zwischen Daumen und Zeigefinger der anderen Hand hielt. »Dann kommt noch Leim oder Pech hinzu und wird mit feuchter Sehne oder Lederriemen umwickelt. Die ziehen sich beim Trocknen zusammen und halten Speerspitze und Schaft zusammen.«
»Aber diese Spitze ist zu klein. Da kann der Schaft ja nur ein kleiner Ast sein.«
»Nein, viel länger als ein Zweig. Allerdings wird er nicht so schwer sein wie dein Speer. Das darf er auch gar nicht sein, wenn du ihn schleudern willst.«
»Werfen? Einen Speer schleudern?«
»Du schleuderst doch auch Steine mit deiner Schleuder, oder? Das gleiche kann man auch mit einem Speer machen. Du brauchst jetzt keine Fallgruben mehr
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