Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde
Unterkieferknochen aus dem Knochenhaufen unten an der Felswand herausgebrochen hatte. Danach inspizierte sie auch noch die anderen Steine und Knochen.
Die Bearbeitung von Feuerstein hatte sie dadurch erlernt, daß sie Droog zugesehen und hinterher geübt hatte. Er hatte nichts dagegen gehabt, ihr zu zeigen, wie man Feuerstein bearbeitete. Sie hatte aufmerksam zugeschaut und gewußt, daß er ihre Bemühungen beifällig betrachtete; nur, richtig gelernt hatte sie bei ihm nicht. Eine Frau als Lehrling auch nur in Betracht zu ziehen, lohnte sich nicht; denn die Zahl der Werkzeuge, die Frauen machen durften, war beschränkt. Jagdgeräte und Werkzeuge zur Herstellung anderer Geräte zu fertigen, kam für sie nicht infrage. Ayla war jedoch bald dahintergekommen, daß die Geräte, die Frauen benutzten, sich gar nicht so sehr von den typischen Männerwerkzeugen unterschieden. Ein Messer war schließlich ein Messer, und eine geriffelte Feile ließ sich ebensogut beim Zuspitzen eines Grabstockes wie eines Speers benutzen.
Sie sah Arbeitsgerät und Material noch einmal durch, entschied sich für einen kleinen Feuersteinknoten, legte ihn aber gleich wieder hin. Wenn sie ernstlich Feuerstein bearbeiten wollte, brauchte sie einen Amboß, etwas, worauf der Stein ruhte, während sie ihn bearbeitete. Droog hatte keinen Amboß gebraucht, um ein Handbeil zu schlagen; den brauchte er nur für kompliziertere Gerätschaften. Ayla hingegen fand, daß sie besser arbeiten konnte, wenn sie den schweren Feuerstein auf eine feste Unterlage setzen konnte; die rohen Umrisse eines Geräts konnte freilich auch sie ohne Amboß zurichten. Was sie jetzt brauchte, war eine feste glatte Oberfläche, die wiederum nicht zu hart war, damit der Feuerstein unter kräftigeren Schlägen nicht in viele Stücke zerbarst. Droog hatte den Fußknochen eines Mammuts benutzt, und so beschloß sie jetzt, hinzugehen und nachzusehen, ob sich in dem Knochenhaufen nicht einer fände.
Sie kletterte um das aufgehäufte Durcheinander von Knochen, Holz und Steinen herum. Da Stoßzähne vorhanden waren, stand zu erwarten, daß sich auch Fußknochen fanden. Sie entdeckte einen langen Ast und benutzte ihn als Hebel, um die schwereren Stücke zu bewegen. Freilich zerbrach er, als sie versuchte, einen Felsbrocken damit zu lockern. Dann fand sie den kleinen elfenbeinfarbenen Stoßzahn eines jungen Mammuts, der sich als wesentlich widerstandsfähiger erwies. Schließlich entdeckte sie ganz am Rand des Haufens, hinten an der Wand, wonach sie suchte und schaffte es, ihn unter der Masse der anderen Dinge herauszuziehen.
Als sie den Beinknochen fortschleppte zu ihrem Arbeitsbereich, fielen ihre Augen auf einen graugelben Stein, der im Sonnenlicht schimmerte und an den glatten Flächen aufblinkte. Erst als sie stehenblieb und das Stück Eisenpyrit aufhob, fiel ihr ein, warum es ihr so vertraut vorgekommen war.
Mein Amulett, dachte sie und berührte das Lederbeutelchen, das sie um den Hals hängen hatte. Mein Höhlenlöwe hat mir einen Stein wie diesen zukommen lassen, um mir zu verstehen zu geben, daß mein Sohn am Leben bleiben würde. Plötzlich bemerkte sie, daß der ganze Strand mit diesen graugelben, matt in der Sonne blinkenden Steinen übersät war. Erst jetzt, wo sie einen von ihnen wiedererkannt hatte, wurden sie ihr bewußt. Zuvor hatte sie sie einfach übersehen. Jetzt merkte sie auch, daß die Wolken aufrissen. Als ich den meinen fand, war es der einzige weit und breit. Hier hingegen haben sie nichts Besonderes, liegen sie überall herum.
Sie ließ den Stein fallen und schleifte das Mammutbein das Ufer hinunter, setzte sich dann hin und zog es sich zwischen die Beine. Den Schoß bedeckte sie sich mit dem Hamsterfell; dann nahm sie ihren unbearbeiteten Feuerstein wieder zur Hand, drehte ihn hin und her, betrachtete ihn von allen Seiten und überlegte, an welcher Stelle sie den ersten Schlag ausführen sollte, doch wollte es ihr nicht gelingen, sich zu konzentrieren. Irgend etwas störte sie. Offenbar sind es die harten, kalten runden Steine, auf denen ich sitze, dachte sie, lief zur Höhle hinauf, holte sich eine Matte und brachte bei dieser Gelegenheit gleich ihren Feuerbohrer sowie das flache Bohrholz sowie ein wenig Zunder mit. Ich kann froh sein, wenn es mir gelingt, ein Feuer zu entzünden. Der Vormittag ist schon halb vorüber, und es ist immer noch kalt.
Sie ließ sich auf der Matte nieder, legte ihre Geräte zum Herstellen von Werkzeugen griffbereit zurecht und das
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