Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde

Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde

Titel: Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean M. Auel
Vom Netzwerk:
Der Wind erfaßte Strähnen langen weißen, im Nacken zusammengenommenen Haares, das von einem glattrasierten – oder bartlosen, sonst aber vor Alter verrunten Gesicht zurückgesträhnt war, ein Gesicht, das trotz der vielen Runzeln ganz sanft zu leuchten schien. Der Verlauf der Kinnbacken und die Art, wie das Kinn vorgereckt wurde, verriet Kraft – war das Charakterstärke?
    Erst als man ihn aufforderte herauszukommen, merkte Jondalar, daß er im kalten Wasser stand. Das Rätsel wurde allerdings bei eingehenderem Hinsehen auch nicht gelöst, und er hatte das Gefühl, daß ihm irgend etwas Wichtiges entgangen sein müsse. Als er stehenblieb, blickte er in ein Gesicht mit einem mitfühlenden, fragenden Lächeln und durchdringenden Augen von unbestimmbarem Grau oder Nußbraun. Errötend wurde Jondalar plötzlich klar, was es bedeutete, daß die geheimnisvolle Person geduldig vor ihm wartete, und er hielt Ausschau nach irgendwelchen Zeichen, die ihr Geschlecht verraten hätte.
    Die Größe half nicht sonderlich; ein bißchen groß für eine Frau, etwas zu klein für einen Mann. Wallende, formlose Kleidung verbarg körperliche Einzelheiten; selbst die Art zu gehen verwirrte Jondalar und gab ihm keinerlei Anhalt. Je mehr er hinsah und keine Antwort auf seine Fragen fand, desto erleichterter war er. Er wußte von Menschen wie diesem, die in den Körper eines Geschlechts hineingeboren wurden, jedoch von den Neigungen des anderen erfüllt waren. Sie waren weder das eine noch das andere, oder aber alles beide und traten für gewöhnlich in den Stand jener ein, Die Der Mutter Dienten. Da sich in ihnen Kräfte sowohl weiblicher wie männlicher Elemente miteinander verbanden, standen sie im Ruf, über außerordentliche Heilkräfte zu verfügen.
    Jondalar war fern von daheim und kannte Sitten und Gebräuche dieser Menschen nicht; trotzdem hegte er nicht den geringsten Zweifel, daß die Person, die vor ihm stand, ein Heilkundiger war. Vielleicht Einer, Der Der Mutter Diente, vielleicht aber auch nicht; es spielte keine Rolle. Thonolan brauchte einen Heilkundigen, und ein Heilkundiger war gekommen.
    Aber woher hatten sie gewußt, daß ein Heilkundiger gebraucht wurde? Woher hatten sie überhaupt gewußt, daß sie kommen sollten?
    Jondalar warf noch ein Scheit ins Feuer und sah zu, wie aufstiebende Funken dem in den Nachthimmel aufsteigenden Rauch nachjagten. Er ließ sein nacktes Hinterteil tiefer in seine Schlafrolle hineinmischen und lehnte sich gegen einen Felsblock, um den nicht erlöschenden Funken nachzusehen, die über den Himmel jagten. Eine Gestalt schwebte in seinen Gesichtskreis herein und versperrte einen Teil des sternübersäten Himmels.
    Es dauerte einen Augenblick, ehe seine in unbestimmte Fernen starrenden Augen sich auf den Kopf der jungen Frau einstellten, die ihm einen Becher mit dampfendem Tee hinhielt.
    Rasch setzte er sich auf, entblößte ein ganzes Stück nackten Schenkels, packte die Schlafrolle und zog sie mit einem Blick auf seine Hose und die neben dem Feuer zum Trocknen aufgehängten Stiefel hoch. Sie grinste, und ihr strahlendes Lächeln verwandelte die ernste, scheue und unaufdringlich hübsche junge Frau in eine Schönheit mit blitzenden Augen. Nie zuvor hatte er eine solche erstaunliche Verwandlung erlebt, und das Lächeln, mit dem er darauf einging, ließ erkennen, wie angezogen er sich fühlte. Sie jedoch hatte den Kopf beiseitegelegt, um ein boshaftes Lachen zu unterdrücken; schließlich wollte sie den Fremden nicht in Verlegenheit bringen. Als sie ihn endlich wieder anblickte, blieb nur noch ein leises Aufleuchten in ihren Augen.
    »Dein Lächeln ist wunderschön«, sagte er, als sie ihm den Becher Tee reichte.
Sie schüttelte den Kopf und antwortete mit Worten, von denen er annahm, daß sie soviel bedeuten wie: Ich verstehe dich nicht.
»Ich weiß, daß du mich nicht verstehen kannst. Trotzdem möchte ich dir sagen, wie dankbar ich bin, daß ihr hier seid.«
Sie sah ihn eindringlich an, und er hatte das Gefühl, daß ihr ebenso sehr an einer Verständigung gelegen sei wie ihm. Er redete weiter, weil er fürchtete, sie könne gehen, wenn er aufhörte.
»Es ist wunderbar, nur mit euch zu sprechen, einfach zu wissen, daß ihr da seid.« Er nippte am Tee. »Gut ist der. Was für eine Mischung ist das?« fragte er, hielt den Becher in die Höhe und nickte anerkennend. »Ich glaube, ich schmecke Kamille heraus.«
Sie reagierte mit einem beifälligen Nicken, setzte sich dann ans Feuer und

Weitere Kostenlose Bücher