Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde
sie nachsehen mußten? Doch wie waren sie überhaupt auf den Gedanken gekommen, den Fluß herunterzukommen? Und dazu auch noch mit dem Shamud?
Das Boot sprang ruckend über das aufgewühlte Wasser; jetzt, da Jondalar es sich eingehend ansah, überzeugte ihn das robuste Fahrzeug. Der Boden des Bootes schien aus einem einzigen, soliden Stück Holz gemacht – einem ausgehöhlten und im Mittelteil sich verbreiternden ganzen Baum. Ganze Reihen von Brettern, die eines das andere überlappten und aneinander befestigt waren, vergrößerten das Boot, erhöhten die Bordwände und liefen vorn am Bug zusammen. In gewissen Abständen verstärkten Spanten die Bordwände; Bretter, die zwischen ihnen ausgelegt waren, bildeten Sitzbänke für die Ruderer. Sie drei saßen vorn auf der ersten Bank.
Jondalars Augen folgten dem Aufbau des Bootes und glitt über einen Ast, der sich am Bug des Bootes verfangen hatte. Dann wanderte sein Blick nach hinten, und das Herz klopfte ihm bis zum Hals hinauf. Nahe dem Heck, verfangen in den kleineren Seitenzweigen des Stammes, der am Boden des Bootes festsaß, hing ein blutbefleckter lederner Sommerüberwurf.
9
»Nicht so gierig, Winnie!« mahnte Ayla, als das falbfarbene Pferd die letzten Wassertropfen vom Boden der Holzschale aufleckte. »Wenn du alles säufst, muß ich mehr Eis schmelzen.« Das Füllen schnaubte, schüttelte den Kopf und steckte die Nase wieder in die Schale. Ayla lachte. »Ja, wenn du so großen Durst hast, hole ich mehr Eis. Kommst du mit?«
Ayla war es längst zur Gewohnheit geworden, ihren stetigen Gedankenfluß auf das junge Pferd zu richten. Manchmal handelte es sich um nichts weiter als Bilder, die sie im Kopf hatte, oft jedoch griff sie auch zu der beredten Sprache von Gebärden, Körperhaltung und unterschiedlichem Gesichtsausdruck, mit der sie am vertrautesten war; da jedoch das junge Tier besonders auf den Klang ihrer Stimme ansprach, setzte sie zunehmend diesen ein. Im Gegensatz zu den anderen Clansangehörigen hatte ihr stets eine Fülle von Lauten und Modulationen zu Gebote gestanden; nur ihr Sohn hatte es ihr darin gleichgetan. Für sie beide war es ein Spiel gewesen, sich gegenseitig die unsinnigen Silben nachzumachen, wobei einige dieser Laute nach und nach eine bestimmte Bedeutung angenommen hatten. Jetzt erweiterte sie diese Tendenz, wenn sie sich an das Fohlen richtete, und drückte irgendwelche Sachverhalte auch durch kompliziertere Lautfolgen aus. Sie machte Tierlaute nach, erfand neue Wörter aus Kombinationen von ihr bekannten Lauten und übernahm sogar einige von den unsinnigen Silben aus den Spielen mit ihrem Sohn. Da niemand sie mißbilligend ansah, wenn sie unnötige Laute von sich gab, vergrößerte ihr Lautschatz sich, bildete jedoch eine Sprache, die vorerst nur ihr – und auf besondere Weise ihrem Pferd – verständlich war.
Ayla wickelte sich Fell-Beinlinge um, zog einen Überwurf aus zottigem Pferdefell über und eine Vielfraßkapuze über den Kopf; danach band sie ihre Handlinge fest. Um das zu bewerkstelligen, steckte sie eine Hand durch den Schlitz im Fell des Handlings, um den Leibriemen festzuziehen und die Kiepe zu schultern. Danach griff sie nach einem Eispickel – dem langen Vorderarmknochen eines Pferdes, der spiralförmig aufgebrochen worden war, um an das Mark heranzukommen, und dann durch Zersplittern und Schleifen an einem Stein geschärft worden war.
»Na, komm schon, Winnie«, forderte sie das Pferd auf. Sie hielt das schwere Auerochsenfell beiseite, das früher ihre Zeltplane gewesen war, jetzt jedoch als Windschutz von Pfählen herunterhing, die sie am Eingang in den Höhlenboden eingegraben hatte. Das Pferd kam heraus und trottete hinter ihr den steilen Weg nach unten. Wind, der um die Flußbiegung herumgefahren kam, fuhr sie an, als sie den gefrorenen Wasserlauf betrat. Sie fand eine Stelle, die aussah, als ob die rauhe Eisdecke aufgebrochen werden könne, und hackte Bruchstücke und Blöcke heraus.
»Es ist viel leichter, Schnee in eine Schale zu füllen, als Eis für die Wassergewinnung herauszuhacken, Winnie«, sagte sie und tat das Eis in ihre Kiepe. Am Fuß der vorspringenden Felswand, wo der Stapel Holz und Knochen lag, blieb sie stehen und lud sich noch etwas Treibholz auf. Wie dankbar sie für das Holz war – denn damit konnte sie nicht nur Wärme erzeugen, sondern auch noch Eis schmelzen. »Die Winter hier oben sind trockener und auch kälter als unten auf der Halbinsel. Mir fehlt der Schnee, Winnie. Das
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