Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde
tut dir nichts.«
Das Pferd hatte tiefen Schnee in dieser Menge nie zuvor erlebt; es war es gewohnt, Flocken im Wind treiben und zu Schneewehen zusammengedrückt zu sehen. Es sank mit dem Huf ein, als es versuchsweise noch einen Schritt machte und wieherte die Frau nochmals an, gleichsam als bäte es um Unterstützung. Ayla führte das junge Tier hinaus, bis ihm wohler zumute war, und lachte dann über seine Kapriolen, als die natürliche Neugier und der Sinn des Füllens für Spaß die Oberhand gewannen. Es dauerte nicht lange, bis Ayla aufging, daß sie für einen längeren Aufenthalt im Freien nicht richtig gekleidet war. Es war kalt.
»Ich mache mir jetzt heißen Tee und etwas zu essen. Allerdings bin ich knapp mit dem Wasser, muß also Eis holen …« Sie lachte. »Ich brauche ja kein Eis aus dem Fluß rauszubrechen. Ich kann ja genausogut eine Schale voll Schnee holen! Wie wär’s mit einem warmen Schleim heute morgen, Winnie?«
Nachdem sie die Morgenmahlzeit zu sich genommen hatten, zog Ayla sich warm an und ging wieder nach draußen. Ohne den Wind war die Luft beinahe balsamisch, doch was ihr am meisten das Herz erwärmte, war der vertraute Anblick des ganz gewöhnlichen Schnees auf dem Boden. Sie brachte ganze Schalen und Körbe voll davon in die Höhle hinein und setzte sie in der Nähe ihrer Feuerstelle nieder, damit er schmolz. Schneeeinsammeln war so unendlich viel weniger mühselig als Eisschlagen, und so beschloß sie jetzt, etwas von dem gewonnenen Wasser sogar zum Waschen zu benutzen. Sie war es gewohnt gewesen, sich im Winter regelmäßig mit geschmolzenem Schnee zu waschen, doch war es in letzter Zeit schwierig genug gewesen, genügend Eis herauszubrechen und heraufzuschaffen, um Wasser zum Trinken und Kochen zu gewinnen. Waschen war ein Luxus, auf den sie längst hatte verzichten müssen.
Mit dem Holz, das sie an der Rückwand der Höhle gestapelt hatte, baute sie das Feuer wieder auf; danach räumte sie den Schnee von dem zusätzlichen Feuerholz, das sie draußen aufgestapelt hatte, und brachte neues herein.
Wenn ich doch nur Wasser so stapeln könnte wie Holz, dachte sie und blickte auf ihre Behälter mit dem schmelzenden Schnee. Wer weiß, wie lange dieser Vorrat reicht, wenn der Wind erst mal wieder einsetzt. Sie ging hinaus, um noch eine Ladung Holz zu holen und nahm eine Schale mit hinaus, um den Schnee abzuräumen. Als sie eine Schale voll forträumte und sie neben dem Holz auf den Boden warf, bemerkte sie, daß der Schnee seine Form behielt, nachdem sie die Schale wieder hochgenommen hatte. Ob wohl …? Warum nicht Schnee auf diese Weise stapeln? Wie einen Stoß Holz …?
Diese Vorstellung erfüllte sie mit Begeisterung, und so hatte sie bald den größten Teil des unberührten Schnees vom Sims in der Nähe des Höhleneingangs an der Feldwand aufgetürmt. Dann stieg sie den steilen Pfad zum Strand hinunter. Winnie machte sich den Vorteil des freigeräumten Wegs zunutze und lief zum Feld hinunter. Aylas Augen leuchteten, und ihre Backen waren gerötet, als sie stehenblieb und zufrieden über den Schneeberg vor ihrer Höhle lächelte. Sie erspähte eine kleine Stelle am Ende des Simses, die sie nicht ganz vom Schnee freigemacht hatte; entschlossen ging sie jetzt darauf zu. Dort angekommen, ließ sie den Blick über das Tal schweifen und lachte über Winnie, die sich, tänzelnd die Hufe hebend, ihren Weg durch die ungewohnten Schneewehen bahnte.
Als sie zurückblickte zu dem Schneehaufen, hielt sie inne, und ein unverhofftes Lächeln hob einen ihrer Mundwinkel, als ihr ein seltsamer Einfall kam. Der große Schneehaufen bestand aus vielen schalenartigen Batzen und erinnerte von dort aus, wo sie stand, an ein Gesicht. Sie schob noch ein bißchen Schnee zusammen, hob ihn auf, kehrte zurück, klopfte ihn an einer bestimmten Stelle fest und trat zurück, um die Wirkung zu begutachten.
Ihre Augen glitzerten und sie lächelte spitzbübisch. »Grüß dich, Brun«, gab sie ihm mittels Gebärdensprache zu verstehen, doch dann legte sich Kümmernis über ihr Gemüt. Der richtige Brun würde nicht gerade begeistert sein, wenn sie einen Haufen Schnee mit seinem Namen anredete. Namens-Wörter waren etwas zu Wichtiges, als sie so bedenkenlos auf irgend etwas anderes anzuwenden. Aber er sieht nun mal so aus wie er. Sie kicherte bei dem Gedanken. Aber vielleicht sollte ich höflicher sein. Es gehört sich nicht für eine Frau, den Anführer zu begrüßen, als ob er ein Blutsverwandter wäre. Ich sollte ihn
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