Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde
es sich jedoch ihrem Jungen näherte, verlangsamte es seinen Lauf, machte noch ein paar Schritte, hielt inne und wandte sich dem jungen Bullen zu, der mit einem Wurfgeschoß in jedem Auge am Boden lag. Es stieß ihn mit dem Horn an, drängte ihn aufzustehen. Dann wandte es den Kopf hin und her und verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen, gleichsam als wolle es sich über etwas schlüssig werden.
Ein paar von den Jägern versuchten, seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und ließen Kapuzen und Umhänge knallen, doch entweder sah es sie nicht, oder aber es ignorierte sie einfach. Noch einmal stieß sie ihr Junges an und wandte sich dann wieder gen Norden.
»Und ich sage dir, Thonolan, es ist nochmal um Haaresbreite gut gegangen. Allerdings, das Weibchen wollte unbedingt nach Norden – es wollte einfach nicht bleiben.«
»Meinst du, es gibt Schnee?« fragte Thonolan, warf einen Blick auf den Breiumschlag und sah dann wieder seinen besorgten Bruder an.
Jondalar nickte. »Ich weiß bloß nicht, wie ich Dolando klarmachen soll, daß wir gut daran täten, von hier fortzugehen, ehe der Sturm losbricht, wo doch so gut wie keine Wolke am Himmel zu sehen ist … selbst wenn ich ihre Sprache spräche.«
»Ich rieche seit Tagen, daß es Schnee gibt. Es muß sich ein ganz schwerer Schneesturm zusammenbrauen.«
Jondalar war überzeugt, daß die Temperatur immer noch fiel, und wußte es, als er am nächsten Morgen eine dünne Eisschicht in einem Teebecher zertrümmern mußte, den er in der Nähe des Feuers hatte stehen lassen. Abermals versuchte er, ohne sichtlichen Erfolg, den anderen seine Besorgnis mitzuteilen und suchte den Himmel immer wieder nach offenkundigeren Anzeichen für einen Wetterumschwung ab. Eigentlich hätte er erleichtert aufatmen müssen, als er endlich die brodelnden Wolken über die Berge sich herüberwälzen sah, wäre nicht die unmittelbare Gefahr gewesen, die sie darstellten.
Bei den ersten Anzeichen, daß sie das Lager abbauten, brach er sein eigenes Zelt ab und packte seine und Thonolans Kiepe. Dolando lächelte und nickte beifällig, winkte ihn dann ans Flußufer hinunter; diesmal jedoch war das Lächeln des Mannes von Unruhe und größter Besorgnis geprägt. Jondalars unheilvolle Ahnung vertiefte sich noch, als er den rauschenden Fluß und das hölzerne Gefährt sah, das an seinen Tauen ruckte und zerrte.
Der Ausdruck im Gesicht der Männer, die ihm seine Kiepen abnahmen und sie in der Nähe des ausgewaideten und gefrorenen Nashornkadavers verstauten, war zwar gleichmütiger, doch Ermunterndes konnte er auch bei ihnen nicht erkennen. So sehr ihm auch daran gelegen war fortzukommen – das Fortbewegungsmittel, mit dem das geschehen sollte, flößte ihm auch nicht gerade Vertrauen ein. Er überlegte, wie sie wohl Thonolan in das Boot schaffen wollten und ging noch einmal zurück, um zu sehen, ob er helfen könne.
Jondalar sah zu, wie das Lager geschwind und sachkundig aufgelöst wurde; er wußte, daß man manchmal am besten dadurch half, daß man nicht im Wege war. Inzwischen waren ihm gewisse Einzelheiten in der Kleidung aufgefallen, durch welche sich diejenigen, die Unterkünfte an Land aufgebaut hatten und sich selbst Ramudoi nannten, von den Männern unterschieden, die auf dem Boot blieben. Um regelrecht unterschiedliche Stämme schien es sich jedoch nicht zu handeln.
Die Art, wie sie sich verständigten, hatte etwas Selbstverständliches; es wurden viele Späße gemacht und es kam zu keinem jener übertriebenen Höflichkeitsbeweise, die für gewöhnlich verborgene Spannungen verraten, wenn zwei verschiedene Völker sich begegnen. Sie schienen dieselbe Sprache zu sprechen, teilten ihre Mahlzeiten und arbeiteten gut zusammen. Allerdings fiel ihm auf, daß an Land Dolando das Sagen zu haben schien, während die Männer an Bord des Bootes sich ihre Anweisungen von jemand anders holten.
Der Heiler kam aus dem Zelt. Ihm folgten zwei Männer, die Thonolan auf einer sinnvoll zusammengesetzten Tragbahre trugen. Zwei Schäfte aus dem Erlenhain oben auf dem Hügel waren um und um mit Seilen vom Boot umwunden und bildeten zwischen sich eine Stütze, auf welcher der Verwundete sicher festgezurrt worden war. Jondalar eilte auf sie zu und bemerkte, daß Roshario bereits angefangen hatte, das große Rundzelt abzubauen. Die Art, wie sie immer wieder unruhig zum Himmel aufschaute, überzeugte Jondalar, daß sie sich genauso wenig auf die vor ihnen liegende Fahrt freute wie er.
»Die Wolken da oben
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