Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
anderen
schienen den Weg zum Herdfeuer des Mammut zu finden, denn
alle erwarteten den Bericht über ein aufregendes und
spannendes Abenteuer, das erzählt und immer wieder erzählt
werden konnte. Ob sie in der richtigen Stimmung war oder
nicht, alle wollten jetzt ihre Geschichte hören.
Deegie machte den Anfang und erzählte von dem
merkwürdigen Umstand, daß sie eine Schlinge ganz leer und
zerbissen, die andere mit einem größtenteils aufgefressenen
Polarfuchs darin vorgefunden hatte. Jetzt war sie sich übrigens
ganz sicher, daß es der schwarze Wolf gewesen war, dem –
geschwächt und hungrig und außerstande, allein und ohne
Rudel Jagd auf Hirsche, Pferde oder Wisente zu machen – nichts anders übrig geblieben war, als sich an die Füchse zu halten, die sich in den Schlingen verfangen hatten. Ayla meinte sogar, der schwarze Wolf könnte Deegies Spur von einer Schlinge zu anderen gefolgt sein, als sie sie ausgelegt hatte. Dann berichtete Deegie, Ayla habe unbedingt weiße Felle haben wollen, um irgendwas für irgendwen zu machen, diesmal allerdings nicht die Bälge eines weißen Polarfuchses, sondern
Hermelinfelle.
Jondalar stieß zu ihnen, nachdem das Geschichtenerzählen
bereits begonnen hatte; er setzte sich ganz nach hinten an die
Wand und war bemüht, nichts zu sagen und nicht aufzufallen.
Schon jetzt tat es ihm leid und er machte sich die heftigsten
Vorwürfe, so übereilt fortgezogen zu sein. Als er freilich Deegies
Bemerkung über die weißen Felle hörte, wich ihm das Blut aus
dem Gesicht. Wenn Ayla für jemand ein Kleidungsstück mit
weißem Pelz machte, aber dafür keinen Polarfuchs nehmen
wollte, konnte es dafür nur einen Grund geben: daß sie dem
Betreffenden bereits einen solchen geschenkt hatte. Und er
wußte, wem sie anläßlich ihrer Adoptionsfeier Polarfuchsfelle
geschenkt hatte. Jondalar schloß die Augen und ballte die
Hände zur Faust. Er wollte nicht einmal daran denken, und
doch wollte ihm der Gedanke nicht aus dem Kopf. Ayla mußte
vorhaben, dem dunkelhäutigen Mann, der so hinreißend in
weißem Pelz aussah, etwas zu machen – Ranec.
Aber auch Ranec fragte sich, wer der Glückliche sein mochte.
Er argwöhnte zwar, daß es Jondalar sein müsse, hoffte jedoch, es
wäre jemand anders, vielleicht sogar er selbst. Bei diesem
Gedanken kam ihm jedoch ein Einfall. Ob sie nun etwas für ihn
nähte oder nicht, er konnte immerhin etwas für sie machen. Er
erinnerte sich, wie erregt und beglückt sie über das Pferd
gewesen war, das er ihr geschnitzt hatte, und erwärmte sich bei dem Gedanken, ihr noch etwas zu schnitzen; etwas, das sie neuerlich erregen und beglücken würde, zumal der große blonde Mann jetzt fortgezogen war. Jondalars Anwesenheit hatte immer einen hemmenden Einfluß auf ihn ausgeübt; trat Jondalar jedoch freiwillig von dem Recht dessen zurück, der zuerst dagewesen war, und verließ er aus freien Stücken ihr Bett und ihr Herdfeuer, fühlte Ranec sich frei, sie aktiver zu
umwerben.
Der kleine Wolf winselte leise im Schlaf, und Ayla, die am
Rand ihrer Bettplattform saß, griff in den Korb hinein und
streichelte ihn beruhigend. Die einzigen Male, da er sich in
seinem jungen Leben warm und geborgen gefühlt hatte, waren
gewesen, wenn er sich an seine Mutter hatte kuscheln können;
die aber hatte ihn häufig allein in der kalten Höhle
zurückgelassen. Aylas Hand jedoch hatte ihn aus dem
freudlosen und erschreckend einsamen Kessel herausgeholt und
ihm Wärme, Nahrung und das Gefühl von Geborgenheit
gegeben. Ohne auch nur wach zu werden, ließ er es sich unter
ihrem beruhigenden Streicheln wohl sein.
Ayla ließ Deegie die Geschichte zu Ende erzählen und ergänzte
sie nur hier und da durch Kommentare und Erklärungen. Ihr
war nicht nach Reden; außerdem war es interessant, daß die
Geschichte der anderen jungen Frau nicht die gleiche war, die
sie erzählt hätte. Sie entsprach deshalb zwar nicht weniger der
Wahrheit, verriet aber einen anderen Gesichtspunkt, und Ayla
war über manche Eindrücke ihrer Freundin überrascht. Sie
selbst hatte die Situation nicht ganz so gefährlich gesehen.
Deegie hatte sich vor dem Wolf weit mehr gefürchtet als sie;
offenbar hatte sie wenig Verständnis für diese Tiere und kannte
sich nicht mit ihnen aus.
Wölfe gehörten zu den sanftmütigsten Fleischfressern und waren in ihrem Verhalten sehr berechenbar; allerdings mußte man auf die Signale achten, die sie von sich gaben. Wiesel etwa waren weit blutrünstiger als Wölfe, und Bären
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