Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
schon zu einem stämmigen jungen Hengst herangewachsen, der seine Mutter um ein Weniges überragte.
Der Frühling war jedoch auch die Zeit, in der es an manchem mangelte. Der Vorrat an bestimmten Nahrungsmitteln, zumal an besonders beliebten Pflanzenprodukten, war zu Ende gegangen, und von anderen war nur noch wenig vorhanden. Als sie sich an eine Bestandsaufnahme machten, waren alle froh, jene allerletzte Wisentjagd doch noch gemacht zu haben. Hätten sie es nicht getan, könnten ihnen jetzt sogar die Fleischvorräte ausgehen. Doch wenn Fleisch ihnen auch den Magen füllte, irgendwie blieben sie hungrig. Ayla fielen Izas Frühlingstränke ein, die sie für Bruns Clan gemacht hatte, und so beschloß sie, solche jetzt auch für das Löwen-Lager anzusetzen. Ihre heilsamen Tränke aus getrockneten Kräutern, zu denen eisenreicher Sauerampfer sowie Hagebutten gehörten, glichen den Vitaminmangel, der den Heißhunger auf frische Nahrung hervorrief, ein wenig aus, konnten ihn jedoch nicht ganz vertreiben. Alle sehnten sich nach dem ersten frischen Gemüse. Das Zurückgreifen auf ihre medizinischen Kenntnisse beschränkte sich jedoch nicht auf die Herstellung von Frühlingstränken.
Da es gut isoliert war und von mehreren Feuern, Lampen und der natürlichen Körperwärme der Menschen geheizt wurde, war es warm im halbunterirdischen Langhaus. Selbst wenn draußen bitterste Kälte herrschte, war man drinnen nur leicht gekleidet. Im Winter waren die Mamutoi sehr darauf bedacht, vorm Hinaustreten ins Freie angemessene Kleidung anzulegen, doch sobald die Schneeschmelze einsetzte, ließ man solche Vorsicht häufig fahren. Obwohl die Temperatur kaum über dem Gefrierpunkt verharrte, hatte man das Gefühl, es wäre sehr viel wärmer, so daß die Leute nach draußen gingen und dabei kaum mehr anhatten als ihre gewöhnliche Kleidung drinnen. Da zur Schneeschmelze noch Frühlingsregen hinzukamen, waren sie oft bis auf die Haut durchnäßt und froren, ehe sie wieder hineingingen, und das schwächte ihre Widerstandskraft.
In den ersten wärmer werdenden Frühlingstagen hatte Ayla mit der Behandlung von Husten, Schnupfen und Halsweh mehr zu tun als während der kältesten Winterzeit. Bei der Welle von Frühlingserkältungen und Infektionen der Atemwege kam niemand ungeschoren davon. Selbst Ayla mußte mehrere Tage lang das Bett hüten, um ein leichtes Fieber und einen hartnäckigen Husten auszukurieren. Ehe der Frühling sich richtig entfaltete, hatte sie fast jeden im Löwen-Lager behandelt. Je nach Einzelfall reichte sie Heilkräutertees und verordnete Dampfinhalationen und Hals- und Brustwickel; außerdem half sie mit ihrem verständnisvollen und überzeugenden Verhalten am Krankenbett. Alle priesen sie die Wirksamkeit ihrer Heilmittel. Selbst wenn es nicht direkt half, hatten die Menschen doch das Gefühl, sich besser zu fühlen.
Nezzie berichtete, diese Frühjahrserkältungen bekämen sie immer, doch als Mamut kurz nach ihrer eigenen Erkrankung damit darniederlag, setzte sie sich über ihre eigenen Restbeschwerden hinweg, um ihn zu pflegen. Eine ernste Infektion der Atemwege konnte tödlich sein. Doch der Schamane hatte trotz seines hohen Alters immer noch eine bemerkenswerte Lebenskraft und erholte sich schneller als manche andere in der Erdhütte. Obwohl er ihre hingebungsvolle Pflege genoß, drängte er sie, sich um die anderen zu kümmern, die ihrer Heilkunst mehr bedurften als er, und sich ansonsten selbst möglichst viel Ruhe zu gönnen.
Als Fralie Fieber bekam und sich schier die Lunge aus dem Leib hustete, brauchte niemand sie zu drängen, sich ihrer anzunehmen, doch richtete ihr guter Wille hier nichts aus. Als sie Fralie behandeln wollte, ließ Frebec sie nicht in sein Herdfeuer herein. Crozie geriet außer sich und schimpfte furchtbar mit ihm herum, und diesmal waren alle im Lager auf ihrer Seite, Frebec jedoch ließ sich nicht erweichen. Crozie stritt sogar mit Fralie und versuchte sie zu bewegen, sich über Frebec hinwegzusetzen, doch auch das half nichts. Die Kranke schüttelte nur den Kopf und hustete weiter.
»Aber warum?« sagte Ayla zu Mamut, tat sich mit ihm an einem heißen Tee gütlich und lauschte auf einen neuen Hustenanfall von Fralie. Tronie hatte Tasher an ihr Herdfeuer genommen, der altersmäßig zwischen Nuvie und Hartal lag. Crisavec schlief mit Brinan am Herdfeuer des Auerochsen. Somit hatte die kranke Schwangere Ruhe, doch Ayla bekam es jedesmal mit und spürte es selber schmerzlich, wenn Fralie
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