Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
bisweilen eine Schaufel aus Hirschgeweih oder eine Schöpfkelle aus Elfenbein behilflich waren.
Der vereiste Strom ächzte und stöhnte in seinem Kampf, sich dem Würgegriff des Winters zu entwinden, während das Schmelzwasser sich in die verborgene Strömung ergoß. Ohne jede Warnung gab es plötzlich einen ohrenbetäubenden Knall, den man sogar im Inneren der Erdhütte hörte und dem sogleich ein zweites Krachen folgte, und dann verkündete ein anschwellendes tiefes Grummeln, daß das Eis die Wassermassen nicht mehr bändigen konnte. Eisbrocken und -schollen tanzten und tauchten unter, drehten sich um sich selbst, verfingen sich und wurden von dem machtvollen Strom doch hinweggerissen. Das verriet den Wendepunkt der Jahreszeit.
Als wäre die Kälte mit der Flut davongeschwemmt worden, kamen die Leute des Lagers, die wie der Strom von der Eiseskälte zur Unbeweglichkeit verdammt worden waren, aus der Erdhütte herausgequollen. Obwohl von Wärme eigentlich nur im Vergleich zu der noch größeren Winterkälte die Rede sein konnte, schlug das beengte Leben drinnen in energische Aktivität im Freien um. Jeder Vorwand hinauszugehen wurde begeistert begrüßt, sogar der große Frühlingsputz.
Die Angehörigen des Löwen-Lagers waren nach ihren eigenen Vorstellungen saubere Geschöpfe. Wenngleich Feuchtigkeit in Form von Schnee und Eis reichlich vorhanden war, bedurfte es doch des Feuers und großer Vorräte an Brennmaterial, um Wasser zu gewinnen. Trotzdem wurde einiges von dem Eis und Schnee, den sie zum Kochen schmolzen, zum Waschen benutzt; außerdem gingen sie in regelmäßigen Abständen ins Schwitzbad. Der persönliche Lebensbereich war für gewöhnlich gut geordnet, Arbeitsgerät und Werkzeuge wurden pfleglich behandelt, die wenigen Kleidungsstücke, die sie drinnen trugen, abgebürstet, gelegentlich auch gewaschen und in Ordnung gehalten. Doch am Ende des Winters war der Gestank im Inneren der Erdhütte unvorstellbar.
Zu diesem Gestank trug Essen in verschiedenen Stadien der Haltbarmachung und der Verwesung bei, gekochtes, ungekochtes und verfaultes; das Lampenöl, das oft ranzig war, da das alte Öl in den Lampen ständig durch frische Fettklümpchen und -brocken ergänzt wurde; die Körbe mit Kot und anderen Ausscheidungen, die nicht immer sofort hinausgebracht und ausgeschüttet wurden; Behälter mit gesammeltem Urin, den man stehen ließ, damit durch den bakterienbedingten Zerfall von Harnstoff seine Umwandlung in Ammoniak vorangetrieben wurde; und die Menschen selbst. Wenn auch Schwitzbäder gesund waren und die Haut reinigten, trugen sie nur wenig dazu bei, den natürlichen Körpergeruch zu vertreiben, doch das wurde mit ihnen auch nicht bezweckt. Der persönliche Geruch gehörte zur Identität jedes Einzelnen.
Die Mamutoi waren die kräftigen und oft durchdringenden Gerüche des täglichen Lebens gewohnt. Ihr Geruchssinn war stark entwickelt und wurde genauso eingesetzt wie Seh- oder Hörvermögen, um sich ständig bewußt zu sein, was um einen herum vorging. Nicht einmal Tiergerüche galten als unangenehm, denn auch sie waren natürlich. Doch als es wärmer wurde, merkten selbst Nasen, die an die Gerüche des täglichen Lebens gewöhnt waren, die Folgen davon, daß hier siebenundzwanzig Menschen über einen längeren Zeitraum auf engstem Raum zusammengelebt hatten. Der Frühling war die Jahreszeit, da die Fellvorhänge vorm Eingang beiseite gezogen wurden, um die Erdhütte zu lüften; außerdem wurde der Abfall eines ganzen Winters zusammengekehrt und hinausgeworfen.
Für Ayla bedeutete das auch noch, den Pferdedung aus dem Anbau hinauszuschaufeln. Die Pferde hatten den Winter zu Aylas Freude gut überstanden, was jedoch nicht weiter verwunderlich war. Steppenpferde waren abgehärtete Tiere, die den Widrigkeiten strenger Winter angepaßt waren. Wenn sie sich auch ihr Futter größtenteils selbst suchen mußten, stand es Winnie und Renner frei, nach Belieben einen Raum aufzusuchen, der weit mehr Schutz bot als alles, was ihre wildlebenden Verwandten zur Verfügung hatten. Außerdem wurde ihnen Wasser und – in Grenzen – auch einiges an Futter bereitgestellt. Auf der freien Wildbahn reiften Pferde schnell, was unter normalen Umständen fürs Überleben auch notwendig war, und so hatte Renner wie alle anderen Füllen, die in der gleichen Zeit geboren worden waren wie er, seine volle Größe erreicht. Wenn er in den nächsten paar Jahren auch noch einiges an Fleisch ansetzen sollte – er war jetzt
Weitere Kostenlose Bücher