Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
etwas hatte, als das seine beanspruchen könne. Ihre Forderungen jedoch konnten maßlos sein. Sie hatte so viel verloren, daß es ihr schwerfiel, irgend etwas von dem ihr noch verbliebenen Anspruch auf ein hohes Ansehen herzugeben, zumal an jemand, der so wenig mitbrachte. Crozie befürchtete, er würde dieses Ansehen schmälern; was sie brauchte, war die ständige Bestätigung, daß es nach wie vor galt. Fralie wollte ihn nicht der Schande preisgeben, den Versuch zu machen, es ihm zu erklären. Das Ganze war eine überaus heikle Angelegenheit, ein Wissen, mit dem man einfach aufwuchs … sofern man es immer hatte. Aber Frebec hatte nie etwas gehabt.
Wieder spürte Fralie den Schmerz im Kreuz. Wenn sie ganz ruhig liegen blieb, vielleicht daß er dann wieder verging … sofern sie es schaffte, während dieser Zeit nicht zu husten. Nachgerade wünschte sie doch, mit Ayla reden zu können, jedenfalls um etwas gegen ihren Husten zu bekommen; aber Frebec sollte nicht denken, daß sie sich auf die Seite ihrer Mutter schlug. Lange Erklärungen jedoch würden nur ihren Rachen reizen und Frebec in die Defensive drängen. Sie fing wieder an zu husten, und das ausgerechnet in dem Augenblick, da die Verkrampfung ihren Höhepunkt erreichte. Sie unterdrückte einen Schmerzensschrei.
»Fralie? Ist es … mehr als nur der Husten?« fragte Frebec und sah sie eindringlich an. Er konnte sich nicht vorstellen, daß der Husten allein sie dazu brachte, derart zu stöhnen.
Sie zögerte. »Was meinst du mit ›mehr‹?« fragte sie.
»Nun, das Baby … aber du hast schon zwei Kinder bekommen, du weißt doch, wie so was geht, nicht wahr?«
Fralie mußte husten, daß es sie schier zerriß, und als sie den Anfall endlich hinter sich hatte, wich sie der Frage aus. An den Rändern der Rauchlochabdeckungen zeigte sich Helligkeit, als Ayla zu ihrem Bett zurückkehrte und sich fertig anzog. Die meisten Lagerangehörigen waren die halbe Nacht wach gewesen. Zuerst war es Fralies unbezähmbarer Husten gewesen, der sie geweckt hatte, doch dann war deutlich geworden, daß sie unter mehr litt als nur unter einer Erkältung. Tronie hatte Schwierigkeiten mit Tasher, der zu seiner Mutter zurück wollte. Sie nahm ihn hoch und trug ihn statt dessen ans Herdfeuer des Mammut. Da er immer noch greinte, nahm Ayla ihn und trug ihn um den großen Herdfeuerbereich herum und versuchte ihn abzulenken, indem sie ihm dies und das zeigte. Der Wolfswelpe folgte ihr. Ayla trug Tasher durch die Herdfeuer des Fuchses und des Löwen und begab sich dann an die Gemeinschaftskochstellen.
Jondalar sah sie näherkommen und das Kind trösten und beruhigen; das Herz klopfte ihm bis zum Hals hinauf. In seinem Kopf wollte er, daß sie näher kam; gleichzeitig war er nervös und hatte Angst. Seitdem er fortgezogen war, hatten sie kaum miteinander gesprochen, und er wußte nicht, was er zu ihr sagen sollte. Er sah sich um und überlegte, was das Kind wohl beruhigen und beschwichtigen könnte; dabei fiel sein Blick auf einen Knochen, der von gestern abend übriggeblieben war.
»Vielleicht mag er darauf beißen«, meinte Jondalar, als sie den Bereich des großen Gemeinschaftsfeuers betrat, und hielt ihr den Knochen hin.
Sie nahm den Knochen und drückte ihn dem Kind in die Hand.
»Hier, magst du das, Tasher?«
Fleisch war nicht mehr daran, wohl aber ein bißchen Geschmack. Er steckte das dicke Ende in den Mund, kostete, stellte fest, daß er es mochte, und gab endlich Ruhe.
»Das war eine gute Idee, Jondalar«, sagte Ayla. Sie hatte den dreijährigen Jungen auf dem Arm, stand nahe bei ihm und sah zu ihm auf.
Sie sahen einander an, verzehrten sich einer nach dem Anblick des anderen, ließen die Augen sich sattsehen, sagten kein Wort, nahmen aber jeden Zug im Gesicht des anderen wahr, jeden Schatten und jede Linie, jede Einzelheit, die sich verändert hatte. Er hat abgenommen, dachte Ayla. Wie hager er aussieht. Und sie ist vergrämt, macht sich Sorgen um Fralie, der sie gern helfen möchte, dachte Jondalar. Ach, Doni, wie schön sie ist!
Tasher ließ den Knochen fallen, und Wolf schnappte danach.
»Auslassen!« befahl Ayla. Widerstrebend legte er ihn auf den Boden, bewachte ihn jedoch weiter.
»Ach, jetzt kannst du ihn ihm auch ganz überlassen. Ich glaube, Frebec hätte es nicht gern, wenn du den Knochen Tasher gibst, nachdem Wolf ihn im Maul gehabt hat.«
»Ich möchte nicht, daß er sich Dinge nimmt, die ihm nicht gehören.«
»Er hat es ja eigentlich gar nicht genommen. Tasher hat ihn
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