Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
Sehnsucht. Vielleicht war es ebensogut, daß Jondalar ohne sie loszog. Ging sie mit ihm, würde sie ihren Sohn nie wiedersehen. Aber ging er ohne sie fort, würde sie Jondalar nie wiedersehen.
Die Wahl war ihr aus der Hand genommen. Sie würde hierbleiben. Sie würde sich mit Ranec zusammentun. Sie versuchte sich einzureden, daß es wirklich besser für sie wäre hierzubleiben. Ranec war ein guter Mann, er liebte sie und begehrte sie. Und sie mochte ihn. Es würde nicht schrecklich sein, mit ihm zu leben. Sie konnte Babys bekommen. Sie konnte Durc suchen und herbringen, auf daß er bei ihnen lebte. Ein guter Mann, ihr eigenes Volk, und darüber hinaus auch noch ihren Sohn. Das war mehr, als sie früher je zu träumen gewagt hätte. Was wollte sie sonst noch? Ja, was, wenn Jondalar doch fortging.
Ich werde es ihm sagen, dachte sie. Ich werde Ranec sagen, er kann unser Verlöbnis heute bekanntgeben. Doch als sie sich erhob und hinüberging zum Herdfeuer des Fuchses, hatte sie nur einen einzigen Gedanken. Jondalar zog ohne sie fort. Sie würde Jondalar nie wiedersehen. Und als ihr das klar wurde, erdrückte sie das, und sie schloß die Augen, um ihren Kummer zu verdrängen.
»Talut! Nezzie!« Ranec lief zur Erdhütte hinaus, um den Anführer und seine Adoptivmutter zu suchen. Als er sie sah, war er dermaßen aufgeregt, daß er kaum sprechen konnte. »Sie ist einverstanden! Ayla hat sich einverstanden erklärt! Das Verlöbnis, wir werden es ablegen, Ayla und ich.«
Er sah Jondalar nicht einmal, und hätte er ihn gesehen, es wäre ihm gleichgültig gewesen. Ranec wollte an nichts anderes denken als daran, daß die Frau, die er mehr begehrte als irgend etwas sonst auf der Welt, eingewilligt hatte, die Seine zu werden. Aber Nezzie sah Jondalar, sah ihn erbleichen, sah, wie er den Mammutstoßzahn packte, der den Eingangsbogen bildete, und erkannte den Schmerz auf seinem Gesicht. Schließlich ließ er los und ging zum Fluß hinunter, und ein flüchtiges Bedenken ging ihr durch den Sinn. Der Fluß führte Hochwasser. Es würde ein Leichtes sein, hinauszuschwimmen und sich davontragen zu lassen.
»Mutter, ich weiß nicht, was ich heute anziehen soll. Ich kann mich nicht entscheiden!« rief Latie in klagendem Ton. Voller Unruhe erwartete sie ihre erste Zeremonie, mit welcher ihr höherer Status anerkannt werden würde.
»Laß mal sehen«, sagte Nezzie und warf einen letzten Blick auf den Fluß. Von Jondalar war nichts zu sehen.
28
Innerlich völlig aufgewühlt, lief Jondalar den Vormittag über am Fluß entlang. Immer wieder hörte er im Geiste Ranecs freudige Worte. Ayla hatte eingewilligt. Sie würden während der Feier am Abend ihr Verlöbnis bekanntgeben. Immer wieder sagte er sich, das habe er schließlich seit langem erwartet; er hatte es einfach nicht wahrhaben wollen. Der Schock der Wahrheit war um vieles schlimmer, als er jemals für möglich gehalten hätte. Am liebsten wollte er sterben, genauso wie Thonolan damals, nach dem Tod von Jetamio.
Nezzie hatte durchaus Grund für ihre Befürchtungen. Jondalar war nicht aus einem bestimmten Grund zum Fluß hinuntergegangen. Die Richtung hatte er rein zufällig eingeschlagen, doch als er an dem turbulent dahinrauschenden Wasserlauf stand, fand er das Wasser merkwürdig zwingend und anziehend. Es schien Frieden zu bieten, Befreiung von Schmerz, Sorgen und Verwirrung; und doch starrte er es nur an. Irgend etwas nicht minder Zwingendes hielt ihn zurück. Im Gegensatz zu Jetamio war Ayla nicht tot, und solange sie lebte, brannte noch ein kleines Feuer der Hoffnung; aber mehr noch als das, fürchtete er um ihre Sicherheit.
Er fand eine einsame Stelle am Ufer, die von Gebüsch und kleinen Bäumen abgeschirmt war, und versuchte, sich auf die schwere Prüfung heute abend vorzubereiten, die ja nicht nur in der Bekanntgabe des Verlöbnisses bestehen sollte. Er sagte sich, schließlich sei es nicht so, daß sie heute abend tatsächlich schon mit Ranec zusammengegeben wurde. Sie legte ja nur das Versprechen ab, irgendwann in der Zukunft ein Herdfeuer mit ihm zu gründen; aber er, Jondalar, hatte gleichfalls ein Versprechen abgelegt. Er hatte Mamut gesagt, er werde bis nach dem Frühlings-Fest bleiben; wobei es freilich nicht das Verlöbnis war, das ihn hielt. Wiewohl er keine Ahnung hatte, worum es ging oder was er dabei tun könnte – er konnte unmöglich fort, solange Ayla irgendwelchen unbekannten Gefahren entgegensah; er konnte einfach nicht, und wenn es auch bedeutete
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