Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
angestrengt. Das war eine merkwürdige neue
Vorstellung. Frauen waren Mütter. Sie gebaren Kinder, Töchter
und Söhne. Aber konnte ein Mann einen Sohn haben? Konnte
Ralev sein Sohn sein? Und doch hatte Ayla es gesagt. So mußte
es sein. Sie barg das Wesen Der Mut. Sie war die Geist-Frau. Es
war sogar möglich, daß sie die fleischgewordene Große
Erdmutter war.
Jondalar prüfte die Lasten noch einmal, dann führte er Renner an den Anfang des Pfades, wo Ayla beim Abschiednehmen war. Winnie war beladen und wartete geduldig, doch Wolf lief aufgeregt zwischen ihnen hin und her und wußte, daß irgend etwas Ungewöhnliches bevorstand.
Als der Clan sie verstoßen hatte, war es für Ayla schwer gewesen, die Leute zu verlassen, die sie liebte, aber ihr war nichts anderes übriggeblieben. Sie hatte keine Wahl gehabt. Aus freien Stücken Menschen Lebewohl zu sagen, den Angehörigen des Löwen-Lagers, die sie liebte, und das in dem Bewußtsein, sie nie wiederzusehen, war womöglich noch schwerer. Sie hatte heute bereits so viele Tränen vergossen, daß sie sich fragte, ob sie überhaupt noch welche hätte; und doch wurden ihr jedesmal wieder die Augen feucht, wenn sie noch einen Freund oder eine Freundin umarmte.
»Talut«, schluchzte sie und umarmte den großen, rothaarigen Anführer. »Habe ich dir jemals gesagt, daß es dein Lachen war, das mich bewog, zu euch zu kommen? Ich hatte eine solche Angst vor den Anderen, daß ich bereit war, geradewegs zurückzureiten in das Tal – aber dann sah ich dich lachen.«
»Und jetzt bringst du mich gleich zum Weinen, Ayla. Ich möchte nicht, daß du gehst.«
»Ich weine bereits«, sagte Latie. »Ich möchte auch nicht, daß du gehst. Weißt du noch, wie du mir das erste Mal erlaubtest, Renner anzufassen?«
»Ich erinnere mich noch, wie das war, als sie Rydag auf Winnie reiten ließ«, sagte Nezzie. »Ich glaube, das war der glücklichste Tag seines Lebens.«
»Mir werden auch die Pferde fehlen«, rief Latie in klagendem Ton und klammerte sich an Ayla.
»Vielleicht bekommst du eines Tages selbst ein kleines Pferd, Latie«, sagte Ayla.
»Und mir werden die Pferde auch fehlen«, sagte Rugie.
Ayla hob sie in die Höhe und herzte sie. »Dann bekommst du vielleicht auch ein kleines Pferd.«
»Ach, Nezzie«, rief Ayla. »Wie soll ich dir danken? Für alles? Du weißt ja, ich habe meine Mutter verloren, als ich noch klein war, aber ich bin wirklich vom Glück begünstigt. Ich habe zwei Mütter gehabt, sie zu ersetzen. Iza sorgte für mich, als ich ein kleines Mädchen war, aber du bist die Mutter, die ich brauchte, um selbst eine Frau zu werden.«
»Hier«, sagte Nezzie, reichte ihr ein Päckchen und versuchte, sich nicht völlig in Tränen aufzulösen. »Das ist dein Hochzeitskleid. Ich möchte, daß du es trägst, wenn du dich mit Jondalar zusammentust. Auch er ist wie ein Sohn für mich. Und du bist meine Tochter.«
Nochmals schloß Ayla Nezzie in die Arme, und dann sah sie zu ihrem großen, kraftstrotzenden Sohn auf. Als sie auch Danug umarmte, erwiderte dieser die Umarmung rückhaltlos. Sie spürte seine Männlichkeit, seine Kraft und die Wärme seines Körpers, und für einen Moment sprang der Funke seiner Anziehungskraft auf sie über, als er ihr ins Ohr flüsterte: »Ich wünschte, du wärest mein Rotfuß gewesen.«
Sie trat einen Schritt zurück und lächelte. »Danug! Was wirst du für ein Mann werden! Ich wünschte, ich bliebe, bloß um zu sehen, wie ein zweiter Talut aus dir wird.«
»Vielleicht mache ich später, wenn ich älter bin, einmal eine lange Reise und besuche dich.«
Als nächsten umarmte sie Wymez und hielt nach Ranec Ausschau, doch der war nirgends zu sehen. »Es tut mir leid«, sagte sie zu Wymez.
»Mir auch. Ich hatte so gehofft, du würdest bei uns bleiben. Gern hätte ich die Kinder erlebt, die du an dieses Herdfeuer gebracht haben würdest. Aber Jondalar ist ein guter Mann. Möge Die Mutter eure Reise mit Ihrem Lächeln bedenken.«
Ayla nahm Tronie Hartal ab, der ihr auf dem Arm saß, und freute sich darüber, wie er kicherte. Dann hob Manuv Nuvie in die Höhe, damit Ayla sie küsse.
»Wärest du nicht gewesen, gäbe es sie heute nicht mehr. Das werde ich nie vergessen, und sie auch nicht«, sagte Manuv. Ayla umarmte sie, dann Tronie und auch Tornec.
Frebec hielt Bectie, während Ayla Fralie und den beiden Jungen Lebewohl sagte. Dann schloß sie Crozie in die Arme. Die machte sich erst ganz steif, aber Ayla spürte, daß sie zitterte. Dann drückte die alte
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