Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
Kopf darüber zerbrochen, wie man das vielleicht erreichen könnte«, sagte Jondalar.
»Du hast ihr Geschick schon ein paarmal erwähnt. Ist sie denn wirklich so gut?« fragte Tulie.
Jondalar lächelte. »Ayla, warum holst du nicht deine Schleuder und zeigst es Tulie?«
Ayla runzelte die Stirn. Sie war solche öffentlichen Vorführungen nicht gewohnt. Ihr Können hatte sie heimlich vervollkommnet, und nachdem man ihr widerstrebend zugestanden hatte, als Mädchen auf die Jagd zu gehen, hatte sie das zwar ausgenutzt, aber immer nur allein. Sie mit einer Jagdwaffe herumlaufen zu sehen hatte alle in Verlegenheit gebracht, den Clan genauso wie sie selbst. Jondalar war der erste, mit dem sie jemals gemeinsam gejagt hatte – und der erste, der erlebt hatte, welch überragendes Geschick sie sich angeeignet hatte. Doch Jondalar wirkte entspannt und zuversichtlich.
Sie nickte daher und ging, sich Schleuder und Steinbeutel von Rydag zu holen, dem sie beides anvertraut hatte, nachdem sie sich dazu durchgerungen hatte, sich am Speerewerfen zu beteiligen. Von Winnies Rücken herab strahlte der Junge sie an; er hatte das Gefühl, Anteil an der ganzen Aufregung zu haben, und freute sich darüber, welchen Wirbel sie machte.
Suchend sah sie sich nach geeigneten Zielen um, entdeckte die aufrecht im Boden steckenden Rippen vom Mammut und zielte zuerst auf diese.
Der hell-hallende, geradezu wohlklingende Ton von Steinen, die auf Knochen trafen, ließ keinen Zweifel aufkommen, daß sie die Pfosten auch wirklich getroffen hatte. Doch war das zu leicht. Noch einmal sah sie sich suchend um. Sie war es gewohnt, nach Vögeln und kleinen Tieren Ausschau zu halten, um dann Jagd auf sie zu machen – nicht jedoch nach irgendwelchen Gegenständen, um sie mit ihren Steinen zu treffen.
Jondalar wußte, daß sie weit mehr konnte, als Pfosten treffen, und erinnerte sich an einen bestimmten Nachmittag; aus seinem Lächeln wurde ein breites Grinsen, er drehte sich um und lockerte durch Tritte ein paar Batzen trockener Erde. »Ayla!« rief er dann.
Sie wandte sich um und sah ihn mit gegrätschten Beinen, die Hände in die Hüften gestemmt und auf jeder Schulter einen Brocken Erde, auf der Wurfbahn dastehen. Sie legte die Stirn in Falten. So etwas Ähnliches hatte er einmal mit zwei Felsbrocken gemacht, und sie mochte es gar nicht, daß er sich einer Gefahr aussetzte. Aus einer Schleuder abgeschossene Steine konnten tödlich sein. Doch als sie genauer darüber nachdachte, mußte sie zugeben, daß es gefährlicher aussah, als es in Wirklichkeit war. Zwei unbewegliche Ziele – das sollte sie doch wohl schaffen. Seit Jahren hatte sie kein feststehendes Ziel mehr verfehlt, warum also jetzt, bloß weil es ein Mann war, der die Ziele auf der Schulter balancierte – der Mann, den sie liebte?
Sie schloß die Augen, holte tief Atem und nickte dann nochmals. Sich bückend, holte sie zwei Steine aus dem Beutel, der vor ihr auf dem Boden lag, legte die beiden Enden der Schleuder zusammen und einen der Steine in die vom vielen Gebrauch ausgebeulte Vertiefung in der Mitte des Lederstreifens; den anderen Stein hielt sie in der Linken bereit. Dann hob sie den Blick.
Erwartungsvolle Stille lag über den Zuschauern. Niemand sagte etwas. Es war, als hätten sie sogar den Atem angehalten. Alles war still – bis auf die gleichsam zitternde Spannung, die in der Luft hing.
Ayla konzentriert sich auf den Mann mit den beiden Brocken Erde auf den Schultern. Als sie anfing, die Schleuder zu wirbeln, streckte das ganze Lager den Kopf vor. Mit der geschmeidigen Anmut und der sparsamen Bewegung der geübten Jägerin, die gelernt hatte, so wenig wie möglich von ihren Absichten durch Bewegungen preiszugeben, zielte sie und ließ den Stein fliegen.
Noch ehe der erste Stein sein Ziel erreicht hatte, machte sie schon den zweiten wurfbereit. Der harte Klumpen auf Jondalars rechter Schulter explodierte beim Aufprall des härteren Steins. Und unvermittelt folgte der zweite Stein dem ersten und pulverisierte den Klumpen graubrauner Lößerde auf seiner linken Schulter, so daß nur noch eine Staubwolke zu sehen war. Das ganze war so schnell gegangen, daß die Zuschauer meinten, es gar nicht mitbekommen zu haben, oder daß alles auf irgendeinem Trick beruhte.
Und das war es ja auch: ein Trick, den ihr keiner so schnell nachgemacht hätte. Niemand hatte Ayla im Gebrauch der Schleuder unterwiesen. Den hatte sie sich selbst beigebracht, indem sie heimlich die Männer von Bruns Clan beobachtet
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