Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
Mit einem Stück Knöchelbein – das, wie Ayla mutmaßte, vom Wollnashorn stammte – zerdrückte Tronie die Kerne und zerrieb sie zu einem dicken Brei. Nachdem noch ein paar Handvoll Sonnenblumenkerne zerdrückt und zu Brei gemacht worden waren, füllte sie einen anderen Korb mit Wasser. Sie nahm zwei gerade Knochen zur Hand, die zu diesem Zweck geschnitzt und geformt worden waren, und holte mit der Hand rasch ein paar Kochsteine aus dem Feuer. Zischend und unter Dampfentwicklung ließ sie die Steine ins Wasser fallen, holte bereits abgekühlte wieder heraus und fügte weitere heiße hinzu, bis das Wasser siedete. Dann erst schüttete sie den dickflüssigen Sonnenblumenbrei hinzu. Ayla war gespannt, was daraus werden würde.
Beim Kochen schwitzten die Kerne das Öl aus, welches Tronie mit einer großen Kelle abschöpfte und in ein anderes Behältnis schüttete, das diesmal aus Birkenrinde bestand. Nachdem sie soviel abgeschöpft hatte, wie herauskommen wollte, fügte sie dem siedenden Wasser die zerstampften Körner irgendeiner nicht mehr genau zu bestimmenden Getreideart sowie einige schwarze Samenkörner des Fuchsschwanzes hinzu, würzte mit Kräutern und tat immer wieder neue Kochsteine hinein, um das ganze am Kochen zu halten. Die Birkenrindenbehälter wurden zum Abkühlen beiseitegestellt, bis die Sonnenblumenbutter sich verfestigte. Von der Löffelspitze aus ließ sie Ayla davon kosten; und diese fand, es schmecke köstlich.
»Besonders gut schmeckt das auf Tulies Kornlaiben«, sagte Tronie.
»Deshalb wollte ich es machen. Da ich aber ohnehin schon kochendes Wasser hatte, dachte ich, ich könnte gleich das Frühstück für morgen vorbereiten. Am Morgen nach einem Fest hat eigentlich keiner groß Lust, lange zu kochen; aber die Kinder zumindest möchten etwas zu essen haben. Vielen Dank, daß du mir Hartal solange abgenommen hast.«
»Dafür brauchst dich nicht zu bedanken. Es hat mir Spaß gemacht. Ich habe schon lange kein Baby mehr im Arm gehabt«, sagte Ayla und merkte, daß das stimmte. Sie besah sich daher Hartal genauer und verglich ihn im Geiste mit den Babys des Clan. Hartal hatte keine Brauenwülste, doch waren die bei den Clan-Babys auch noch nicht voll entwickelt. Seine Stirn war gerader und sein Kopf runder, aber sonst unterschied er sich eigentlich kaum von den Clan-Kindern, fand Ayla. Der größte Unterschied lag für sie darin, daß Hartal lachte und kicherte und gurrte; Clan-Kinder stießen nicht so viele verschiedene Laute aus.
Als seine Mutter ging, die Geräte abzuwaschen, wurde das Baby ein wenig unruhig. Ayla ließ es auf dem Knie hüpfen, und drehte es so lange, bis die beiden sich ansahen. Sie redete mit ihm und beobachtete, wie hellwach es reagierte. Damit war es eine Weile zufrieden, doch dauerte es nicht lange, und es fing wieder an zu schreien. Ayla spitzte die Lippen und flötete. Dieser Laut überraschte es, und es hörte auf zu weinen, um zu horchen. Sie pfiff noch einmal, diesmal so, daß es sich wie Vogelgezwitscher anhörte.
Ayla hatte, als sie allein im Tal gelebt hatte, ganze Nachmittage damit zugebracht, die Rufe und das Gezwitscher von Vögeln nachzuahmen. Sie hatte darin so großes Können erworben, daß verschiedene Vogelarten auf ihr Pfeifen hin herbeigeflogen gekommen waren; doch Vögel dieser Arten lebten nicht nur im Tal der Pferde.
Als sie flötete, um das Baby zu unterhalten, landeten in der Nähe ein paar Vögel und pickten an den Körnern und den Samen herum, die aus Tronies Körben herausgefallen waren. Ayla bemerkte sie, flötete nochmals, und hielt einen Finger hin. Nach anfänglichem Zögern hüpfte ihr schließlich ein mutiger Fink auf den Finger. Vorsichtig und unter Pfeifen, das ihm gefiel und ihn beruhigte, hob Ayla das kleine Geschöpf in die Höhe und hielt es dicht vor das Baby hin, damit dieses den Vogel sehe. En entzücktes Gegluckse und eine vorgestreckte Patschhand ließen den Finken davonschwirren.
Dann hörte Ayla zu ihrer Verwunderung Beifallgeklatsche. Der Klang von Händen, die sich auf Schenkel schlugen, ließ sie aufblicken und in die lächelnden Gesichter der meisten Angehörigen des Löwen-Lagers blicken.
»Wie machst du das, Ayla? Ich kenne ein paar, die einen Vogel nachmachen können, oder sonst ein Tier, aber du machst das so gut, daß sie darauf hereinfallen«, sagte Tronie. »Ich habe nie jemand kennengelernt, der soviel Macht über Tiere ausübt wie du.«
Ayla errötete, als hätte man sie bei etwas Verbotenem ertappt … nicht
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