Zyklus der Erdenkinder 04 - Ayla und das Tal der Grossen Mutter
seine Autorität geltend zu machen, aber er wußte, daß er gehen würde, wenn sie darauf bestand.
"Ich dachte mir, daß du es möchtest", sagte sie, "aber jetzt, nachdem es geschafft ist, gibt es etwas, das ich möchte."
"Sag es mir. Ich gebe dir alles, was du willst", sagte er, ohne zu zögern; aber er fragte sich, was sie von ihm verlangen mochte.
"Ich würde mich gern waschen. Darf das Wasserbecken zum Baden und Waschen benutzt werden?"
Das war etwas, womit er nicht gerechnet hatte, und einen Augenblick lang war er verblüfft. Dann fiel ihm zum erstenmal auf, daß ihr Gesicht mit Brombeersaft
verschmiert war, ihre Arme von den Dornenranken zerkratzt, ihre Kleidung von der Reise verschmutzt, ihr Haar zerzaust. Mit bekümmertem Blick und einem gequälten Lächeln sagte er: "Roshario würde mir nie verzeihen, daß ich so ungastlich gewesen bin. Bisher hat dir niemand auch nur einen Schluck Wasser angeboten. Du mußt erschöpft sein von eurer langen Reise. Ich werde Tholie holen. Alles, was du möchtest, gehört dir, sofern wir es haben."
Ayla zerrieb Blüten zwischen den nassen Händen, bis sich Schaum gebildet hatte, dann arbeitete sie ihn in ihr Haar ein. Der Schaum der Säckelblume war nicht so üppig wie der von Seifenkraut, aber die blaßblauen Blütenblätter hinterließen einen angenehmen Duft. Die Umgebung und die dort wachsenden Pflanzen kamen Ayla so bekannt vor, daß sie,
als sie loszogen, um die Packkörbe und das Schleppgestell mit dem Boot zu holen, ganz sicher war, sowohl Säckelblumen wie auch Seifenkraut zu finden. Sie hatten kurz haltgemacht, um nach den Pferden zu sehen, und sich vorgenommen, Winnie später ausgiebig zu striegeln, um den Zustand ihres Fells zu überprüfen, aber auch, um sie zu beruhigen.
"Sind noch welche von den schäumenden Blüten übrig?" fragte Jondalar.
"Dort drüben, auf dem Stein neben Wolf", sagte Ayla. "Aber es sind die letzten. Wir können demnächst mehr pflücken, und einige können wir trocknen und für unterwegs mitnehmen." Sie hielt den Kopf unter Wasser, um ihr Haar auszuspülen.
"Hier sind ein paar Felle zum Abtrocknen", sagte Tholie. Sie trat an das Becken heran und hielt mehrere der weichen gelben Lederstücke in den Armen.
Ayla hatte sie nicht kommen sehen. Die Mamutoi-Frau versuchte, so viel Abstand wie möglich von Wolf zu halten; sie war um das Becken herumgegangen und hatte sich von der anderen Seite genähert. Ein kleines, drei- oder vierjähriges Mädchen, das ihr gefolgt war, klammerte sich an die Beine seiner Mutter und starrte die Fremden mit weit aufgerissenen Augen und einem Daumen im Mund an.
"Ich habe euch drinnen etwas zu essen hingestellt", sagte Tholie und legte die Abtrockenleder hin. Jondalar und Ayla hatten ein Bett in der Behausung bekommen, die sie und Markeno bewohnten, wenn sie an Land waren. Es war dieselbe Unterkunft, die Thonolan und Jetamio mit ihnen geteilt hatten; als sie zum erstenmal eintraten, war Jondalar einen Moment lang von Kummer überwältigt. Sie erinnerte ihn an die Tragödie, die dazu gerührt hatte, daß sein Bruder abreiste und schließlich starb.
"Aber seht zu, daß ihr noch genügend Appetit übrigbehaltet", setzte Tholie hinzu. "Wir feiern heute abend ein großes Fest, zu Ehren von Jondalars Rückkehr." Sie sagte nicht, daß es auch zu Ehren Aylas stattfand, weil sie Roshario geholfen hatte. Roshario schlief nach wie vor, und niemand wollte das Schicksal herausfordern, indem er es laut aussprach, bevor man
ganz sicher war, daß sie aufwachen und sich erholen würde.
"Ich danke dir, Tholie. Für alles", sagte Jondalar. Dann lächelte er dem kleinen Mädchen zu. Es senkte den Kopf und versteckte sich noch mehr hinter seiner Mutter, starrte Jondalar aber auch weiterhin an. "Es sieht so aus, als wäre die Brandnarbe völlig aus Shamios Gesicht verschwunden. Ich kann jedenfalls keine Spur davon entdecken."
Tholie nahm das Kind auf den Arm, damit Jondalar es besser sehen konnte. "Wenn du ganz genau hinschaust, kannst du sehen, wo die Brandwunde war, aber es fällt kaum auf. Ich bin dankbar, die Mutter war sehr gütig."
"Sie ist ein hübsches Kind", sagte Ayla, lächelte sie an und betrachtete das kleine Mädchen mit einem sehnsüchtigen Blick. "Eines Tages möchte ich eine Tochter, die so ist wie sie." Ayla stieg aus dem Becken. Das Wasser war erfrischend, aber zu kalt, um lange darin zu bleiben. "Sagtest du, ihr Name ist Shamio?"
"Ja, und ich bin glücklich, daß ich sie habe", sagte die
Weitere Kostenlose Bücher