Zyklus der Erdenkinder 04 - Ayla und das Tal der Grossen Mutter
sie dazu überging, das junge Pferd zu reiten und zu dressieren, konnte selbst Tholie Aylas Worte kaum schnell genug übersetzen, weil alle hören wollten, wie es weiterging. Die junge Frau sprach beide Sprachen sehr gut, aber auch sie war nicht imstande, das Wiehern eines Pferdes nachzuahmen oder die verblüffend naturgetreuen Vogelrufe, aber das war auch nicht nötig. Sie verstanden die Laute, wenn sie in die Geschichte paßten, aber sie warteten auf Tholies Übersetzung, um zu hören, was ihnen entgangen war.
Ayla wartete auf Tholies Worte ebenso wie alle übrigen, wenn auch aus einem ganz anderen Grund. Ihre Fähigkeit, sehr schnell neue Sprachen zu erlernen, hatte Jondalar beeindruckt, als er ihr beibrachte, die seine zu sprechen. Er wußte nicht, daß sie ihre Sprachbegabung einem einzigartigen Umstand zu verdanken hatte. Um unter Leuten bestehen zu können, die aus den Erinnerungen ihrer Vorfahren lernten, die von Geburt an in ihrem Gehirnen als eine Art bewußten Instinkts gespeichert waren, war das Mädchen von den anderen gezwungen gewesen, ihre eigene Erinnerungsfähigkeit herauszubilden. Um von den Angehörigen des Clans nicht für blöde gehalten zu werden, hatte sie lernen müssen, sich schnell zu erinnern.
Bevor sie adoptiert wurde, war sie ein ganz normales, geschwätziges kleines Mädchen gewesen, und obwohl sie ihre Sprechfähigkeit verloren hatte, als sie begann, auf die Art des Clans zu reden, blieb die Anlage vorhanden. Ihr starkes Verlangen, das Sprechen mit Wörtern von neuem zu erlernen, damit sie sich mit Jondalar unterhalten konnte, hatte einer natürlichen Fähigkeit neuen Antrieb gegeben. Nachdem der Anfang einmal gemacht war, entwickelte sich der unbewußte Vorgang weiter, als sie sich entschloß, im Löwen-Lager zu leben, und eine weitere Sprache erlernen mußte. Wörter blieben ihr im Gedächtnis, nachdem sie sie nur einmal gehört hatte, nur für Grammatik und Satzbau brauchte sie etwas länger. Aber die Sprache der Sharamudoi war ähnlich aufgebaut wie die der Mamutoi, und viele Wörter ähnelten sich. Ayla hörte aufmerksam zu, wie Tholie ihre Worte übersetzte, und während sie ihre Geschichte erzählte, lernte sie gleichzeitig die Sprache.
So faszinierend ihre Geschichte über die Adoption eines Fohlen auch war - als Ayla berichtete, wie sie das verletzte Höhlenlöwenjunge gefunden hatte, mußte Tholie sie bitten, die Erzählung noch einmal zu wiederholen. Vielleicht vermochte die Einsamkeit jemanden dazu bringen, mit einem grasfressenden Pferd zusammenzuleben - aber mit einem gewaltigen Raubtier? Ein ausgewachsener männlicher Höhlenlöwe war, wenn er auf allen vieren ging, fast so groß wie ein Steppenpferd und wesentlich massiger. Tholie wollte wissen, wie sie auch nur daran hatte denken können, ein Löwenjunges aufzunehmen.
"Damals war er nicht groß, nicht einmal so groß wie ein kleiner Wolf, noch ein richtiges Baby - und er war verletzt."
Obwohl Ayla ein kleineres Tier hatte beschreiben wollen, richteten sich alle Blicke auf den neben Roshario liegenden Wolf. Wolf gehörte einer nördlichen Rasse an und war selbst für deren Verhältnisse ein ungewöhnlich großes Tier. Der Gedanke, einen Löwen von dieser Größe um sich zu haben, war für alle unvorstellbar.
"Der Name, den sie ihm gab, bedeutete Baby, und so nannte sie ihn auch noch, als er voll ausgewachsen war. Er war das größte Baby, das ich je gesehen habe", erklärte Jondalar unter beifälligem Gekicher.
Jondalar lächelte, aber dann steuerte er eine eher ernüchternde Tatsache bei. "Später fand ich das auch noch belustigend, aber an meiner ersten Begegnung mit ihm war nichts Komisches. Baby war der Löwe, der Thonolan tötete und auch mich fast getötet hätte." Dolando war einen besorgten Blick auf den Wolf an der Seite seiner Gefährtin. "Aber was kann man erwarten, wenn man einen Löwen in seinem Versteck aufstört? Wir hatten zwar gesehen, daß seine Gefährtin fortgegangen war, und wußten nicht, daß Baby drinnen war, aber es war trotzdem ungeheuer leichtsinnig. Wie sich herausstellte, hatte ich Glück, daß es sich um diesen besonderen Löwen handelte."
"Wie meinst du das - du hattest Glück?" fragte Markeno. "Ich war schwer verletzt und bewußtlos, aber Ayla konnte ihn aufhalten, bevor er mich umbrachte", sagte Jondalar.
Alle Blicke richteten sich auf die Frau. "Wie konnte sie einen Löwen aufhalten?" fragte Tholie.
"Ebenso wie sie auch Wolf und Winnie sagt, was sie tun sollen", sagte
Weitere Kostenlose Bücher