Zyklus der Erdenkinder 04 - Ayla und das Tal der Grossen Mutter
Vorräte waren so knapp geworden, daß ich nicht wußte, ob sie für die ganze Reise ausreichen würden. Ob hier in dieser Gegend auch Antilopensalbei wächst? Es ist anzunehmen. Ich muß zurückkommen und mich genauer umsehen.
Sie fand ein Pflanze mit großen Basalblättern, die sie mit Zweigen zu einem behelfsmäßigen Behälter verflocht. Dann pflückte sie so viel von den kleinen Pflanzen, wie sie nur konnte, ohne den Bestand zu gefährden. Vor langer Zeit hatte Iza ihr beigebracht immer etwas zurückzulassen, damit im nächsten Jahr neue Pflanzen wachsen konnten.
Auf dem Rückweg machte sie einen kleinen Abstecher durch einen dichteren, schattigeren Abschnitt des Waldes, um nach der wachsartigen weißen Pflanze Ausschau zu halten, mit der sie die Augen der Pferde behandelte. Sie suchte den Boden unter den Bäumen mit den Augen ab. Bei so vielem, was ihr vertraut war, hätte es eigentlich keine Überraschung sein dürfen, aber als sie die grünen Blätter einer ganz bestimmten
Pflanze entdeckte, rang sie nach Atem und spürte, wie ein kalter Schauer sie durchlief.
18. KAPITEL
Ayla ließ sich auf den feuchten Boden sinken, starrte die Pflanzen an und atmete die üppige Waldluft ein. Erinnerungen stürmten auf sie ein. Selbst beim Clan war das Geheimnis der Wurzel kaum bekannt. Nur Iza wußte davon, und nur diejenigen, die von den gleichen Vorfahren abstammten - oder diejenigen, die sie unterwiesen hatten - kannten die ungewöhnliche Methode, nach der die Pflanze getrocknet werden mußte, damit sich ihre Eigenschaften in der Wurzel verdichteten, und sie erinnerte sich, daß sie, wenn man sie vor Licht geschützt aufbewahrte, umso stärker wurde, je älter sie war.
Obwohl Iza ihr mehrfach erklärt hatte, wie der Trank aus den Wurzeln hergestellt wurde, durfte sie nicht zulassen, daß Ayla ihn zubereitete, bevor sie an der Clans-Versammlung teilnahm; er durfte nicht ohne die angemessenen Rituale getrunken werden und war, wie Iza immer wieder betont hatte, zu heilig, um weggeschüttet zu werden. Aus diesem Grund hatte Ayla den Rest, der sich, nachdem sie den Trank für die Mog-urs zubereitet hatte, noch in Izas alter Schale gerunden hatte, selbst getrunken, obwohl er Frauen verboten war. Und sie erinnerte sich, daß selbst das bißchen, das sie getrunken hatte, eine starke Wirkung auf sie hatte.
Sie war durch enge Gänge in der tiefen Höhle gewandert, und als sie schließlich Creb und die anderen Mogurs sah, hätte sie sich selbst dann nicht zurückziehen können, wenn sie es versucht hätte. Und da war es passiert. Irgendwie wußte Creb, daß sie da war, und er hatte sie mit sich genommen, zurück in die Erinnerungen. Hätte er das nicht getan, dann hätte sie sich für immer in der schwarzen Leere verloren, aber in jener Nacht geschah etwas, das ihn veränderte.
Danach war er nicht mehr Der Mog-ur; sein Herz war nicht mehr dabei, außer beim letzten Mal.
Sie hatte ein paar von den Wurzeln bei sich gehabt, als sie den Clan verließ.
Sie steckten in ihrem Medizinbeutel in dem geheiligten, rot gefärbten Säckchen, und Mamut war sehr neugierig gewesen, als sie ihm davon erzählte. Aber er hatte nicht die Kraft der Mog-urs, und vielleicht hatte die Pflanze auf die Anderen auch eine andere Wirkung. Sowohl Mamut als auch sie waren in die schwarze Leere hineingezogen worden und wären beinahe nicht zurückgekehrt.
Wie sie da auf der Erde saß und die scheinbar harmlose Pflanze anstarrte, aus der man etwas so Machtvolles brauen konnte, erinnerte sie sich auch an diese Erfahrung. Plötzlich überlief es sie kalt, und sie fühlte sich überschattet, als hätte eine Wolke die Sonne verdunkelt. Und dann durchlebte sie noch einmal ihre seltsame Reise mit Mamut. Der grüne Wald verschwamm und verblich, und sie fühlte sich zurückversetzt in die abgedunkelte Erdhütte. Tief in der Kehle schmeckte sie die schwarze, kalte Erde und die wuchernden Pilze des uralten Waldes. Sie hatte das Gefühl, sich mit großer Geschwindigkeit durch die fremden Welten zu bewegen, in die sie mit Mamut gereist war; und sie empfand das Entsetzen vor der schwarzen Leere.
Dann hörte sie, schwach und aus weiter Feme, Jondalars Stimme, der sie rief, der sie und Mamut zurückriß, allein durch die Kraft seiner Liebe und seines Verlangens. Einen Augenblick später war sie wieder da, saß, bis ins Mark erkaltet, in der Wärme des spätsommerlichen Sonnenscheins.
"Jondalar hat uns zurückgeholt!" sagte sie laut. Damals hatte sie das
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