Zyklus der Erdenkinder 04 - Ayla und das Tal der Grossen Mutter
Liebe.
"Jondalar, du solltest nicht so nette Dinge zu mir sagen und mich dabei so anschauen. Dann wird mir nur noch weher ums Herz. Nimm mich in die Arme", sagte Tholie.
Er beugte sich nieder und legte die Arme um die junge Frau. Er spürte, wie sie mit den Tränen kämpfte. Sie löste sich von ihm und sah Ayla an.
"Ach, Ayla, wenn du doch bleiben könntest!" sagte sie aufschluchzend, als sie einander in die Arme sanken.
"Ich möchte nicht gehen. Ich wünschte, wir könnten bleiben. Ich weiß nicht warum; aber wenn Jondalar gehen muß, dann muß ich mit ihm gehen", sagte Ayla, die sich ebenso ihren Tränen überließ wie Tholie. Plötzlich riß sich die junge Mutter los, hob Shamio auf und eilte mit ihr zurück zur Wohnstatt.
Wolf wollte hinter ihr herlaufen. "Zu mir, Wolf!" befahl Ayla.
"Woffie! Ich möchte meinen Woffie", rief das kleine Mädchen und streckte die Ärmchen nach dem zottigen Tier aus.
Wolf jaulte und sah Ayla an. "Zu mir, Wolf", sagte sie. "Wir brechen auf."
20. KAPITEL
Ayla und Jondalar standen auf einer Lichtung, die den Blick auf die Berge freigab. Sie fühlten sich verloren und einsam, als sie Dolando, Markeno, Carlono und Darvalo nachschauten, die auf dem Pfad zurückwanderten. Die anderen hatten sich schon unterwegs verabschiedet und waren zu zweit oder zu dritt ins Lager zurückgekehrt. Als die letzten vier Männer eine Biegung des Pfades erreichten, drehten sie sich noch einmal um und winkten.
Ayla erwiderte ihren Gruß mit einer "Wiedersehen"-Geste, den Handrücken den Scheidenden zugekehrt, aber sie wußte, daß sie die Sharamudoi nie wiedersehen würde. In der kurzen Zeit,
die sie bei ihnen verbracht hatte, hatte sie sie lieben gelernt. Sie hatten sie willkommen geheißen, hatten sie gebeten zu bleiben, und sie wäre gern bei ihnen geblieben.
Der Abschied erinnerte sie an die Trennung von den Mamutoi zu Beginn des Sommers. Auch sie hatten ihnen den Willkommensgruß entboten, und sie hatte viele von ihnen geliebt. Sie hätte glücklich mit ihnen zusammenleben können, aber sie hätte mit der Tatsache leben müssen, daß sie Ranec unglücklich gemacht hatte, und als sie sie verließ, hatte sie die Erregung begleitet, mit dem Mann heimzukehren, den sie liebte. Bei den Sharamudoi gab es keine solchen Bedenken, und das machte die Trennung um so schmerzlicher.
Reisen heißt Abschied nehmen, dachte Ayla. Sie hatte für immer Abschied genommen von dem Sohn, den sie beim Clan zurückgelassen hatte. Freilich, wenn sie hiergeblieben wären, hätte sie vielleicht eines Tages mit Ramudoi in einem Boot den Großen Mutter Fluß bis zum Delta hinabfahren können. Und dann hätte sie vielleicht zur Halbinsel gelangen können, um nach der neuen Höhle des Clans ihres Sohnes zu suchen. Aber es hatte keinen Sinn, weiter darüber nachzudenken.
Sie würde keine Gelegenheit mehr haben, zurückzukehren, keinen Grund mehr zur Hoffnung.
Iza hat ihr gesagt: "Finde deine eigenen Leute, finde deine eigenen Gefährten." Sie hatte Aufnahme gefunden bei Leuten ihrer eigenen Art, und sie hatte einen Mann gefunden, der sie liebte und den sie liebte. Aber bei allem, was sie gewonnen hatte, hatte sie etwas verloren. Ihr Sohn gehörte zu dem, was sie verloren hatte; das mußte sie nun endgültig einsehen.
Auch Jondalar fühlte eine tiefe Leere in sich, als die letzten vier sich umwandten, um in ihr Lager zurückzukehren. Es waren Freunde, mit denen er mehrere Jahre zusammengelebt und die er gut gekannt hatte. Obwohl er mit ihnen nicht durch seine Mutter und ihre Sippe verbunden war, fühlte er sich ihnen ebenso verwandt wie seinem eigenen Blut. Doch da er sich
entschlossen hatte, zu seinen eigenen Wurzeln zurückzufinden, waren sie eine Familie, die er nie wiedersehen würde, und das stimmte ihn traurig.
Als der letzte der Sharamudoi ihren Blicken entschwand, setzte sich Wolf auf die Hinterläufe, hob den Kopf und gab seinem Gefühl in einem Winseln Ausdruck, das in ein kehliges Heulen überging und die Stille des sonnigen Morgens zerriß. Die vier Männer erschienen noch einmal auf dem Pfad unten und winkten ein letztes Mal, als ob sie dem Tier Lebewohl sagen wollten. Wie eine Antwort war unvermittelt das Geheul eines anderen Wolfs zu hören. Markeno blickte hoch, um zu sehen, aus welcher Richtung das zweite Heulen kam, bevor die Männer sich wieder dem Pfad zuwandten. Dann drehten Ayla und Jondalar sich um und sahen vor sich die Berge mit ihren schimmernden, von Gletschereis überzogenen
Weitere Kostenlose Bücher