Zyklus der Erdenkinder 04 - Ayla und das Tal der Grossen Mutter
sie.
"Aber du hast sicher noch viel zu tun", sagte Ayla. "Und ich möchte der Anführerin dieses Lagers nicht zur Last fallen. Es ist schicklicher, bei Der, Die Der Mutter Dient zu bleiben." S'Armuna übersetzte, dann fügte sie hinzu: "So ist es der Brauch."
Ayla wandte sich um und sagte leise zu Jondalar: "Geh zu S'ArmunasHütte."
Als Attaroa die beiden mit der Schamanin weggehen sah, breitete sich ein Lächeln reiner Bosheit über ihre Züge aus; ihr Gesicht verzerrte sich zu einer schrecklichen Fratze. Es war dumm von ihnen, zurückzukommen, dachte sie. Ihre Rückkehr gab ihr die Gelegenheit, die sie sich gewünscht hatte - sie zu vernichten. Aber sie wußte, daß sie sie nur in einem Augenblick der Sorglosigkeit überraschen konnte. Als sie darüber nachdachte, war sie froh, daß sie zu S'Armuna gegangen waren. So waren sie ihr nicht im Wege. Sie brauchte Zeit zum Überlegen und wollte sich mit Epadoa besprechen, die noch nicht zurückgekehrt war.
Inzwischen mußte sie sich um das Festmahl kümmern. Sie winkte eine der Frauen zu sich heran - diejenige, die ein Kind hatte und von ihr bevorzugt wurde - und befahl ihr, den anderen Frauen aufzutragen, ein Essen für eine Feier zuzubereiten. "Macht genug für jeden", sagte die Anführerin. "Auch für die Männer im Gehege." Die Frau sah überrascht auf; dann nickte sie und eilte fort.
"Ich nehme an, ihr würdet gern einen heißen Tee trinken", sagte S'Armuna, nachdem sie Ayla und Jondalar ihre Schlafplätze gezeigt hatte. Sie erwartete, daß Attaroa jeden Augenblick hereinkommen würde. Aber nachdem sie ihren Tee getrunken hatten, ohne gestört worden zu sein, entspannte sie sich. Je länger Ayla und Jondalar bei ihr waren, ohne daß die Anführerin Einwände erhob, desto sicherer schien es ihr, daß sie bleiben durften.
Dennoch breitete sich ein unbehagliches Schweigen aus, als die drei am Feuer saßen. Ayla musterte verstohlen die Frau, Die Der Mutter diente. Ihr Gesicht war seltsam verzogen; die linke Seite war stärker ausgebildet als die rechte. Wahrscheinlich hat sie Schmerzen beim Kauen, dachte Ayla. Die Frau tat nichts, um die Anomalie zu verbergen. Sie hatte ihr angegrautes hellbraunes Haar glatt zurückgekämmt und auf dem Kopf zu einem Knoten verflochten. Ayla fühlte sich von der älteren Frau angezogen.
Sie bemerkte jedoch eine gewisse Zurückhaltung in der Art, in der sie sich ihnen gegenüber gab - eine zögernde Unent-schlossenheit. Sie sah immer wieder Jondalar an, als ob sie ihm etwas sagen wollte, aber nicht wußte, wie sie beginnen sollte.
Einem plötzlichen Impuls nachgebend, ergriff Ayla das Wort. "Jondalar hat mir gesagt, daß du seine Mutter gekannt hast, S'Armuna", sagte sie. "Ich habe mich schon gewundert, woher du seine Sprache so gut sprichst."
Die Frau sah ihre Besucherin überrascht an. Seine Sprache, dachte sie, nicht ihre? Ayla spürte den Blick der Schamanin und erwiderte ihn offen.
"Ja, ich kannte Marthona und den Mann, mit dem sie sich verbunden hatte."
Es war, als wollte sie noch etwas sagen, doch dann schwieg sie. Jondalar nahm das Gespräch wieder auf. Er hatte das Bedürfnis,
von seiner Heimat und seiner Familie zu sprechen, besonders weil es jemanden gab, der seine Leute kannte.
"War Joconan der Anführer der Neunten Höhle, als du da warst, S'Armuna?" fragte er.
"Nein. Aber es überrascht mich nicht, daß er Anführer wurde."
"Es heißt, Marthona sei fast eine Mit-Anführerin, wie bei den Mamutoi. Deshalb ist sie, als Joconan starb ..."
"Joconan ist tot?" unterbrach ihn S'Armuna. Ayla sah, daß sie zusammengefahren war und so etwas wie Kummer zu em-pfinden schien. Dann faßte sie sich wieder. "Es muß für deine Mutter eine schwere Zeit gewesen sein."
"Das glaube ich auch, obwohl sie nicht viel Zeit hatte, darüber nachzudenken. Jeder drängte sie, Anführerin zu werden. Ich weiß nicht, wann sie Dalanar begegnete; aber als sie sich mit ihm zusammentat, war sie schon mehrere Jahre Anführerin der Neunten Höhle. Die Zelandonii haben mir gesagt, daß sie schon vor dieser Verbindung mit mir gesegnet war, aber sie trennten sich zwei Jahre nach meiner Geburt, und er entschloß sich, fortzuziehen. Ich weiß nicht, was geschehen ist; doch noch immer gibt es traurige Geschichten und Lieder über ihre Liebe. Meine Mutter hört sie nicht gern."
Es war Ayla, die ihn aufforderte, fortzufahren. Doch nicht nur sie, auch S'Armuna schien sich für das zu interessieren, was er erzählte. "Sie hat sich wieder mit
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