Zyklus der Erdenkinder 04 - Ayla und das Tal der Grossen Mutter
begieriger - vermutlich, weil er entspannt ist und sich wohl fühlt."
"Ich fühlte mich herrlich nach dem heißen Bad und schlief sehr gut; doch das hat wahrscheinlich nicht nur das Wasser bewirkt, nicht wahr?" fragte Ayla. "Vielleicht war es der Tee?"
Der Mann lächelte. "Das war ein wichtiges Ritual. Es gehört immer mehreres zu einer Zeremonie."
"Nun, ich würde gern noch einmal in die heißen Quellen
steigen; aber ich möchte auf Jondalar warten. Glaubt ihr, daß die Jäger bald zurückkommen?"
"Sicherlich", sagte Laronia. "Laduni weiß, daß vor dem morgigen Mutterfest noch viel zu tun ist. Sie wären heute gar nicht losgezogen, wenn es sie nicht gereizt hätte, Jondalars Jagdwaffe in Aktion zu sehen. Wie heißt sie doch noch?"
"Speerschleuder", sagte Ayla. "Sie ist bei der Jagd eine große Hilfe. Aber man braucht dazu etwas Übung. Dazu hatten wir auf dieser Reise viel Gelegenheit."
"Benutzt du seine Speerschleuder?" fragte Madenia.
"Nein, meine eigene", sagte Ayla. "Ich habe immer gern gejagd."
"Warum bist du dann heute nicht mitgegangen?" fragte das Mädchen.
"Weil ich wissen wollte, wie man diesen Reiniger herstellt. Und dann wollte ich ein paar Sachen säubern und ausbessern." Ayla stand auf. "Ich möchte euch allen etwas zeigen", sagte sie. "Habt ihr schon einmal einen Fadenzieher gesehen?" Sie sah verdutzte Gesichter und Kopfschütteln. "Wartet einen Moment, dann hole ich meinen und zeige ihn euch."
Mit ihrem Nähzeug und den auszubessernden Kleidern kehrte Ayla aus dem Wohnraum zurück. Als alle versammelt waren, nahm sie einen kleinen Zylinder aus ihrem Beutel, der aus dem leichten, hohlen Bein eines Vogels gemacht war, und schüttete zwei Elfenbeinnadeln heraus. Eine gab sie Solandia.
Die Frau untersuchte den glänzend polierten Elfenbeinsplitter eingehend. An einem Ende war er zugespitzt, am anderen ein wenig dicker und mit einem kleinen Loch versehen. Sie über-legte, und plötzlich hatte sie eine Ahnung, wofür er gedacht war. "Sagtest du nicht, dies sei ein Fadenzieher?"
"Ja. Ich zeige dir, wie es geht", sagte Ayla und teilte eine dünne Sehne von einem dickeren Strang ab. Sie feuchtete das Ende an, machte es spitz und glatt und ließ es dann trocknen. Der Sehnenfaden härtete sich etwas und behielt seine Form. Sie fädelte ihn durch das Loch am Ende des winzigen Elfenbeinschafts. Dann nahm sie ein kleines Stück Feuerstein
mit scharfer Spitze und stach damit Löcher in den Rand eines Kleidungsstückes, an dem eine Seitennaht aufgegangen war. Die neuen Löcher versetzte sie etwas zurück, weil das Leder um die alten Stiche herum stellenweise eingerissen war.
Dann steckte sie die Spitze der Elfenbeinnadel durch die Löcher im Leder und zog den Schaft mit dem Faden schwung-voll hindurch.
"Oh!" Die Frauen, die dicht um sie herumsaßen, brachen in einen gemeinsamen Ausruf des Erstaunens aus. "Seht euch das an!"
"Sie mußte den Faden nicht herauszupfen, sie hat ihn einfach durchgezogen."
"Kann ich das auch mal probieren?"
Ayla reichte das Kleidungsstück herum und erzählte ihnen, wie sie auf diese Idee gekommen war.
"Diese Ahle ist gut gemacht", bemerkte Solandia.
"Wymez vom Löwen-Lager hat sie gemacht. Er hat auch den Bohrer hergestellt, mit dem man das Loch macht, durch das der Faden geht", sagte Ayla.
"Solch ein Gerät erfordert viel Geschick", sagte Losaduna.
"Jondalar hält Wymez für den einzigen Feuersteinschläger, der sich mit Dalanar messen kann und vielleicht sogar noch ein wenig besser ist."
"Das ist ein großes Lob. Jeder hält Dalanar für den Meister des Steinschlagens", meinte Losaduna. "Seine Kunst ist sogar hier, auf dieser Seite des Gletschers, unter den Losadunai bekannt."
"Aber Wymez ist auch ein Meister seines Handwerks."
Alle wandten sich überrascht nach dem Sprecher um und sahen Jondalar, Laduni und einige andere mit einem Steinbock, den sie erlegt hatten, in die Höhle treten.
"Ihr habt Glück gehabt!" sagte Verdegia. "Und wenn keiner was dagegen hat, möchte ich das Fell haben. Ich wollte schon lange etwas Steinbockwolle haben, um Bettzeug für Madenias Fest zu machen."
"Mutter!" sagte Madenia verschämt. "Wie kannst du von dieser Feier reden?"
"Erst muß Madenia die Ersten Riten erfahren", sagte Losaduna.
"Was mich betrifft, kann sie die Haut haben", meinte Laro-nia, "ganz gleich wofür." Sie wußte, daß Verdegias Bitte auch ein wenig mit Habgier zu tun hatte. Die schwer zu fassende Wildziege wurde nicht oft erbeutet, ihre Wolle
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