Zyklus der Erdenkinder 04 - Ayla und das Tal der Grossen Mutter
hatten.
Ayla erspähte eine ungewöhnliche Zwergschnee-Eule und machte Jondalar auf sie aufmerksam. Geschickt spürte er Moor-schneehühner auf, die wie die weißgefiederten Schneehühner schmeckten, die er so gern mochte, besonders wenn Ayla sie zubereitete. Ihre gesprenkelte Färbung sorgte in einer Land-schaft, die nicht ganz vom Schnee bedeckt war, für bessere Tar-nung. Jondalar glaubte sich zu erinnern, daß es, als er zum letz-ten Mal hier vorbeikam, mehr Schnee gegeben hatte.
Diese Gegend wurde sowohl vom kontinentalen Osten als auch vom ozeanischen Westen her beeinflußt, was sich in der ungewöhnlichen Mischung von Pflanzen und Tieren zeigte, die man sonst selten beieinander fand. Ayla fielen die kleinen, pelzigen Geschöpfe auf, obgleich sie die Mäuse, Haselmäuse, Wühlmäuse, Ziesel und Hamster eigentlich nur sah, wenn sie ein Nest aufbrach, um an die gesammelten Wintervorräte zu kommen. Manchmal nahm sie auch die Tiere für Wolf oder, wenn sie einen Riesenhamster fand, für sich und Jondalar mit; doch vorwiegend waren diese Kleintiere eine Beute für Marder, Füchse und kleine Wildkatzen.
Oft erblickte sie auf den Hochebenen und am Rand der Flußtäler die wolligen Mammuts, meist Herden verwandter weiblicher Tiere; doch auch Gruppen männlicher Mammuts fanden sich in der kalten Jahreszeit zusammen. In der wärmeren Jahreszeit gab es hier auch viele Wisente, Auerochsen und alle Arten Rotwild, vom Riesenhirsch bis zu
kleinen, scheuen Rehen; nur die Rentiere blieben auch den Winter über in dieser Gegend. Statt dessen waren Gemsen, Mufflons und Steinböcke von ihren nördlichen, hochgelegenen Sommerrevieren heruntergekommen, und Jondalar hatte noch nie so viele Moschusochsen gesehen.
Dies schien ein Jahr zu sein, in dem die Moschusochsen ihre Hochzeit hatten - im nächsten Jahr würde sich ihre Zahl ver-mutlich schlagartig verringern. Doch inzwischen zeigten Aylas und Jondalars Speerschleudern, was sie wert waren.
Ohne einen plötzlichen Angriff fürchten zu müssen, konnten sich Ayla und Jondalar aus sicherer Entfernung ein Tier aussuchen und in Ruhe zielen. Inmitten einer solch reichen Tierwelt litten sie keinen Nahrungsmangel und ließen nicht selten die weniger guten Fleischstücke für die anderen Fleisch- und Aasfresser übrig - nicht weil sie verschwenderisch waren, sondern weil die Notwendigkeit sie dazu zwang. Die protein-reiche Kost aus magerem Fleisch genügte bei weitem nicht, selbst wenn sie sich satt gegessen hatten. Die innere Rinde und Tees aus Nadeln und Zweigspitzen der Bäume halfen nur begrenzt.
Der Mensch als Allesesser konnte von vielerlei Nahrung leben, und Eiweiß war unerläßlich; aber allein reichte es nicht aus. Am Ende des Winters, wenn die pflanzliche Nahrung knapp geworden war, brauchte man Fett zum Überleben; doch so spät im Jahr hatten die meisten Tiere, die sie erlegten, ihre Fettreserven aufgezehrt. Daher suchten sich die Reisenden die Fleischstücke und inneren Organe aus, die das meiste Fett enthielten, und ließen die mageren liegen oder gaben sie Wolf, der in den Wäldern und Ebenen auf ihrem Weg reichlich Nahrung fand.
Noch ein Tier bewohnte diese Gegend; doch weder Ayla noch Jondalar brachten es übers Herz, Pferde zu jagen, auch wenn sie sie ständig vor Augen hatten. Ihre Reisegefährten lebten unterdes nicht schlecht von dem groben, trockenen Gras, den Moosen, Flechten und sogar kleinen Zweigen und dünnen Rinden.
Dem Lauf des Flusses folgend, zogen Ayla und Jondalar westwärts. Als sich der Ruß nach Südwesten krümmte, wußte Jondalar, daß sie es nun nicht mehr weit hatten. Die Senke zwischen dem uralten nördlichen Hochland und den südlichen Gebirgen stieg an, die Landschaft wurde wilder und schroffer. Sie passierten die Stelle, an der sich drei Flüsse vereinten, um den Anfang des Großen Mutter Flusses zu bilden, und folgten dann dem linken Ufer des mittleren Wasserarms.
Die Begegnung mit dem Ursprung des großen Flusses war nicht das tiefe Erlebnis, das Ayla erwartet hatte. Der Große Mutter Fluß entsprang an keiner bestimmten Stelle; auch die Grenze zum nördlichen Territorium, das man als Flachschä-delland betrachtete, war nicht klar auszumachen; doch Jondalar kam die Gegend, in der sie sich befanden, irgendwie bekannt vor. Er hatte den Eindruck, daß sie dem Gletscher sehr nahe waren, konnte es aber nicht mit Bestimmtheit sagen; sie waren schon lange über Eis und Schnee gewandert.
Obgleich es erst Nachmittag war, beschlossen sie,
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