Zyklus der Erdenkinder 04 - Ayla und das Tal der Grossen Mutter
Schwärmen auf Nahr-ungssuche gingen und auch nachts gemeinschaftlich ruhten, konnte sie sich nicht erinnern, jemals so viele von ihnen beisammen gesehen zu haben.
Sie stellte fest, daß auch Turmfalken und andere Vögel sich versammelten. Der Lärm wurde lauter, und in ihn mischte sich ein schrilles Sirren. Dann entdeckte sie eine große, dunkle Wolke; doch seltsamerweise war der Himmel, von dieser Wolke abgesehen, völlig klar. Sie schien, vom Wind getrieben, näher zu kommen. Plötzlich wurde der riesige Schwärm von Rosenstaren noch aufgeregter.
"Jondalar", rief sie dem Mann zu, der ein Stück vor ihr ritt. "Sieh dir diese merkwürdige Wolke an."
Der Mann schaute sich um, dann hielt er an, und Ayla kam heran und hielt neben ihm. Während sie hinschauten, wurde die Wolke sichtlich größer.
"Ich glaube nicht, daß das eine Regenwolke ist", sagte Jondalar.
"Ich glaube es auch nicht, aber was könnte es sonst sein?" sagte Ayla. Sie verspürte den unerklärlichen Drang, irgendwo Schutz zu suchen. "Meinst du, wir sollten das Zelt aufstellen und abwarten?"
"Ich möchte lieber weiterreiten. Vielleicht können wir ihr entkommen, wenn wir uns beeilen", sagte Jondalar.
Sie trieben die Pferde auf dem grünen Feld in eine schnellere Gangart, aber sowohl die Vögel als auch die merkwürdige Wolke holten sie ein. Das schrille Sirren wurde durchdringender und übertönte sogar die lärmenden Stare. Plötzlich spürte Ayla, wie etwas auf ihren Arm prallte.
"Was war das?" fragte sie, aber noch bevor sie die Worte ausgesprochen hatte, wurde sie wieder und wieder getroffen. Irgend etwas landete auf Winnie und prallte ab. Als sie zu Jondalar hinschaute, der direkt vor ihr ritt, sah sie noch mehr von den fliegenden Dingern. Eines landete unmittelbar vor ihr, und bevor es wieder aufflog, klatschte sie die Hand darauf.
Sie nahm vorsichtig auf und betrachtete es genauer. Es war ein Insekt, ungefähr so lang wie ihr Mittelfinger, mit dickem Leib und langen Hinterbeinen. Es sah aus wie ein großer Grashüpfer, aber es war nicht mattgrün wie die, die sie durch trockenes Gras hatte hüpfen sehen und die unauffällig mit ihrer Umgebung verschmolzen. Dieses Insekt prunkte mit leuchtend gelben, schwarzen und orangenfarbenen Streifen.
Der Unterschied war durch den Regen bewirkt worden. In der normalerweise trockenen Jahreszeit waren diese Insekten Grashüpfer, zurückhaltende Einzelgänger, die die Gesellschaft von Artgenossen nur so lange ertrugen, wie sie zur Paarung brauchten. Aber nach dem heftigen Gewitter war eine bemerkenswerte Veränderung mit ihnen vorgegangen. Als das junge, frische Gras hervorsproß, profitierten die Weibchen von dem reichlichen Nahrungsangebot und legten wesentlich mehr Eier als üblich, und wesentlich mehr Larven überlebten. Als sie Population anwuchs, veränderte sie sich auf verblüffende Weise. Die jungen Grashüpfer legten sich auffällige Farben zu und begannen, die Gesellschaft der anderen zu suchen. Sie waren keine Grashüpfer mehr, sie hatten sich in Heuschrecken verwandelt.
Bald vereinigten sich Schwärme bunter Heuschrecken mit anderen Schwärmen, und als die Nahrung an ihrem Ursprungsort verbraucht war, schwangen sich die Heuschrek-ken in Massen in die Luft. Schwärme von fünf Milliarden Tieren waren keine Seltenheit; sie konnten eine Fläche von sechzig Quadratmeilen bedecken und in einer einzigen Nacht achtzigtausend Tonnen Vegetation fressen.Als sich der vordere Teil der Heuschreckenwolke herabsenkte, um über das frische Gras herzufallen, waren Ayla und Jondalar umgeben von Insekten, die um sie herumschwärmten, auf ihnen und ihren Pferden landeten und abprallten. Es fiel ihnen nicht schwer, Winnie und Renner zum Galopp zu bewegen - im Gegenteil, es wäre ihnen unmöglich gewesen, sie zurückzuhalten. Sie stürmten mit Höchstgeschwindigkeit durch das Bombardement der Heuschrecken, und Ayla versuchte, Wolf zu entdecken;
aber die Luft von fliegenden, hüpfenden, springenden Insekten. Sie pfiff, so laut sie konnte, und hoffte, daß er sie trotz des sir-renden Getöses hören konnte.
Sie wäre fast mit einem Rosenstar zusammengeprallt, als dieser herabstieß und direkt vor ihrem Gesicht eine Heuschrecke schnappte. Jetzt begriff sie, weshalb sich solche Massen von Vögeln versammelt hatten. Das gewaltige Nahrungsangebot, dessen leuchtende Farben leicht zu erkennen war, hatte sie angelockt. Aber die stark kontrastierenden Farben, die die Vögel anzogen, ermöglichten auch den
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