Zyklus der Erdenkinder 05 - Ayla und der Stein des Feuers
sie sich anmerken ließ. Wie konnte es sein, dass ein Kind der Erdmutter sie nicht kannte?
»Auch ich habe ein Totem«, sagte Willamar. »Den Goldenen Adler.« Er setzte sich ein wenig aufrechter. »Meine Mutter erzählte mir, dass mich, als ich noch ein Säugling war, ein Ad ler packte und fortzutragen versuchte. Sie bekam mich aber zu fassen und hielt mich fest. Die Narben von den Adlerkrallen sind noch da. Die Zelandoni sagte ihr, dass der Adler in mir einen von seiner Art erkannt hatte. Bei den Zelandonii haben nicht viele ein eigenes Totem, aber wer eines hat, so heißt es, der kann sich glücklich schätzen.«
»Du kannst dich auch glücklich schätzen, dass du davonge kommen bist«, sagte Joharran.
»Und ich«, sagte Ayla, »kann mich glücklich schätzen, dass ich dem Höhlenlöwen entkommen bin, der seine Spuren an meinem Bein hinterließ - ebenso wie Jondalar. Ich glaube, sein Totem ist ebenfalls der Höhlenlöwe. Was denkst du, Zelando ni?«
Seit Ayla fähig war, mit Jondalar zu sprechen, hatte sie ihm wiederholt erklärt, dass der Geist des Höhlenlöwen ihn erwählt habe, doch er hatte es immer vermieden, sich dazu zu äußern. Totems schienen für seine Leute keine so große Bedeutung zu haben wie für den Clan, doch für Ayla waren sie sehr wichtig. Sie wollte diesbezüglich kein Risiko eingehen.
Der Clan glaubte nämlich, dass das Totem eines Mannes stärker als das einer Frau sein musste, damit sie Kinder be kommen konnte. Das war der Grund, warum Aylas starkes männliches Totem Iza derart beunruhigt hatte. Trotz ihres mächtigen Totems gebar Ayla einen Sohn, aber während der Schwangerschaft, bei der Geburt und, wie viele glaubten, auch später traten Schwierigkeiten auf. Er galt als vom Unglück gezeichnet - was dadurch bestätigt wurde, dass seine Mutter kei nen Gefährten hatte und dass kein Mann da war, der ihn so erziehen konnte, wie es sich gehörte. Die Schwierigkeiten und Nöte wurden der Tatsache zugeschrieben, dass sie eine Frau mit einem männlichen Totem war. Nun, da sie wieder schwan ger war, wollte sie sichergehen, dass weder dem Kind, das Jondalar in ihr zum Wachsen gebracht hatte, noch ihr selbst Unglück und Kümmernis bevorstanden. Sie hatte zwar vieles über die Erdmutter gelernt, doch die Lehren des Clans nicht vergessen. Wenn auch Jondalar unter dem Schutz des Höhlen löwen stand, dann wäre sein Totem sicherlich stark genug, und sie würde ein gesundes Kind zur Welt bringen, das ein norma les Leben würde führen können.
Etwas an Aylas Tonfall zog Zelandonis Aufmerksamkeit auf sich. Sie blickte die junge Frau prüfend an, und ihr wurde klar: Sie hätte gern, dass Jondalar ein Höhlenlöwen-Totem hat, die ses Totem ist ihr sehr wichtig. Für die Clan-Leute, die sie auf gezogen haben, müssen Totemgeister eine größere Bedeutung als für uns haben. Wahrscheinlich ist der Höhlenlöwe nun tat sächlich sein Totem, und es kann ihm nichts schaden, wenn die Leute denken, dass er vom Glück gesegnet ist. Das ist er wohl ohnehin, wenn er es geschafft hat, hierher zurückzukehren.
»Ich glaube, du hast Recht, Ayla«, sagte die Donier. »Jonda lar kann Anspruch auf den Höhlenlöwen als sein Totem erhe ben, ebenso wie auf das Glück, das damit verbunden ist. Es war ein großes Glück für ihn, dass du zur Stelle warst, als er dich brauchte.«
»Ich habe es dir gesagt, Jondalar!«, sagte Ayla und sah er leichtert aus.
Warum nur misst sie oder dieser Clan dem Geist des Höhlen löwen oder des Höhlenbären eine derartige Bedeutung bei?, fragte sich Zelandoni. Alle Geister sind wichtig, die der Tiere und selbst die der Pflanzen oder Insekten, doch es ist die Große Mutter, die ihnen allen das Leben geschenkt hat. Wer sind die se Leute, dieser Clan?
Sie fragte: »Als du in jenem Tal lebtest, von dem du gespro chen hast, wo war zu der Zeit der Clan, der dich großgezogen hat?«
»Ja, das möchte ich auch gern wissen«, schloss sich Joharran an. »Hat Jondalar dich denn nicht als Ayla von den Mamutoi vorgestellt?«
Folara fügte hinzu: »Du sagst, dass du die Mutter einst nicht kanntest, aber als wir uns begrüßten, sprachst du von der ›Gro ßen Mutter Allen Lebens‹. Das ist auch einer unserer Namen für Doni.«
Ayla blickte die anderen nacheinander an und schließlich zu Jondalar. Sie spürte Panik in sich aufsteigen. Auf seinem Ge sicht glaubte sie den Anflug eines Schmunzeins zu erkennen, als würde er sich daran freuen, wie sehr Aylas aufrichtige Antworten alle in Staunen
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