Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen
Nach wie vor bat sie ihn nur selten um Unterstützung, doch jetzt war sie für seine Hilfe genauso dankbar wie damals.
»Das Fleisch werde ich Wolf geben.« Ayla betrachtete das, was von dem Vielfraß noch übrig war.
»Ich habe mich schon gefragt, was du damit anfangen würdest.«
»Das Fell werde ich erst einmal zusammenrollen, mit dem Kopf darin, und uns dann eine Abendmahlzeit zubereiten. Vielleicht kann ich später noch damit anfangen, die Haut abzuschaben«, überlegte Ayla.
»Muss das heute noch sein?«, fragte Jondalar.
»Ich brauche das Gehirn, um sie weich zu machen, und das wird schnell schlecht, wenn ich es nicht bald verwende. Das ist ein so schönes Fell, und ich möchte es nicht verderben, vor allem wenn der nächste Winter so kalt wird, wie Marthona glaubt.«
Sie wollten sich auf den Weg machen, aber Ayla entdeckte noch einige hoch aufgeschossene Pflanzen mit gezackten, herzförmigen Blättern in der feuchten Erde am Bach, aus dem sie Wasser holten. »Bevor wir zurückgehen, möchte ich noch ein paar Brennnesseln sammeln. Sie werden uns heute Abend gut schmecken. Ich muss mir zuerst ein paar große Blätter suchen, mit denen ich meine Hände bedecken kann, um mich nicht an den Nesseln zu verbrennen.« Sie schaute sich um und bemerkte eine hohe, steife Pflanze mit auffälligen, distelartigen violetten Blütenständen und großen herzförmigen weichen Blättern, die am Boden um die Stängel wuchsen. »Da sind Kletten. Deren Blätter fühlen sich wie feines Hirschleder an. Die werde ich nehmen.«
»Diese Erdbeeren sind köstlich«, sagte Zelandoni. »Ein perfekter Abschluss für ein wunderbares Mahl. Danke, Ayla.«
»Ich habe nicht viel dazu getan. Das Fleisch stammte von einem Rothirsch, den Solaban und Rushemar mir zum Abschluss geschenkt haben. Ich habe nur einen Steinofen gebaut, das Fleisch darin geschmort und ein paar Rohrkolben und anderes Gemüse gekocht.«
Zelandoni hatte zugeschaut, wie Ayla einen kleinen Schulterknochen, der geformt und an einem Ende geschärft war, als Kelle benutzt hatte, um ein Loch in die Erde zu graben. Die lockere Erde hatte Ayla auf eine alte Haut geschaufelt, die Seiten zusammengerafft und das Ganze beiseitegetan. Das Loch hatte sie mit Steinen ausgelegt und gerade genug Platz für das Fleisch gelassen, dann hatte sie darin ein Feuer entzündet, damit die Steine heiß wurden. Aus ihrem Medizinbeutel hatte sie ein Säckchen geholt und etwas von dessen Inhalt über das Fleisch gestreut; manche Pflanzen konnten als Heilkräuter ebenso wie zum Würzen von Speisen verwendet werden. Dann hatte sie noch einige Würzelchen hinzugefügt, die aus dem Wurzelstock der Nelkenwurz sprossen, sowie etwas Ysop.
Den Wildbraten hatte sie mit Klettenblättern umwickelt. Die heißen Holzkohlen am Boden des Lochs wurden mit einer Lage Erde bedeckt, damit das Fleisch nicht verbrannte. Dann kam der eingewickelte Braten in den kleinen Erdofen. Darüber hatte Ayla feuchtes Gras und weitere Blätter gehäuft und das Ganze mit Erde bedeckt, um es luftdicht abzuschließen. Zuletzt hatte sie einen flachen Stein daraufgelegt, der ebenfalls über einem Feuer erhitzt worden war. So konnte der Braten in der Restwärme und dem eigenen Dampf langsam garen.
»Das war nicht nur geschmortes Fleisch«, beharrte Zelandoni. »Es war so zart und hatte eine Würze, die ich nicht kannte, aber es schmeckte sehr gut. Von wem hast du gelernt, so zu kochen?«
»Von Iza. Sie war die Medizinfrau von Bruns Clan, aber sie kannte nicht nur die Heilwirkung von Pflanzen, sie wusste auch, wie sie schmeckten.«
»Mir ging es genauso, als Ayla zum ersten Mal für mich gekocht hat«, sagte Jondalar. »Die Gewürze waren mir nicht vertraut, aber das Essen war köstlich. Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt.«
»Aus den Rohrkolbenblättern kleine Kochbeutel zu machen und mit den Nesselblättern und den grünen Rohrkolbenspitzen zu füllen, bevor man sie ins kochende Wasser gibt, war auch eine kluge Idee. So lassen sie sich leicht herausholen. Man braucht nicht am Boden des Topfes danach zu fischen. Das werde ich mir für das Absieden merken.« Die Erste sah Jondalars fragenden Blick und fügte als Erklärung hinzu: »Von Heilmitteln und Kräutertees.«
»Das habe ich beim Sommertreffen der Mamutoi gelernt. Dort hat eine der Frauen so gekocht, und viele andere Frauen haben es ihr nachgemacht«, berichtete Ayla.
»Ebenso hat mir gefallen, wie du etwas Fett auf den heißen Stein gegeben und diese Kuchen aus Rohrkolbenmehl darauf
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