Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen
Speer geschleudert, fester als nötig. Deshalb ist die Spitze abgesplittert, aber ich wusste, dass der Vielfraß hinter Jonayla her war, und ich war wütend.«
»Das glaube ich gern. Mir wäre es genauso gegangen. Mein Tag war bestimmt viel weniger aufregend als deiner.« Sie fingen an, den Vielfraß zu häuten. Jondalar machte einen Schnitt durch den linken Hinterlauf bis zum Bauch.
»Hast du heute Feuerstein in der Höhle gefunden?«, fragte Ayla, während sie den gleichen Schnitt am linken Vorderlauf ansetzte.
»Da drinnen gibt es eine Menge. Nicht von bester Qualität, aber tauglich, vor allem zum Üben«, erwiderte Jondalar. »Erinnerst du dich an Matagan? Den Jungen, der im letzten Jahr von einem Nashorn am Bein aufgespießt wurde? Dessen Bein du eingerichtet hast?«
»Ja. Ich hatte keine Gelegenheit, mit ihm zu reden, aber ich habe ihn gesehen. Er humpelt etwas, scheint aber gut zurechtzukommen.« Ayla brachte einen Schnitt am rechten Vorderlauf an, während Jondalar am rechten Hinterlauf arbeitete.
»Ich habe mit ihm, seiner Mutter und seiner Gefährtin gesprochen, auch mit anderen von ihrer Höhle. Wenn Joharran und die Höhle einverstanden sind - und ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand Einspruch erhebt -, wird Matagan am Ende des Sommers zur Neunten Höhle kommen und dort leben. Ich werde ihm zeigen, wie man Feuerstein schlägt, und mich vergewissern, ob er Talent dafür hat.« Jondalar blickte auf. »Willst du die Pfoten aufbewahren?«
»Das sind scharfe Krallen, aber ich wüsste nicht, wofür ich sie gebrauchen sollte«, gab Ayla zurück.
»Du kannst sie jederzeit eintauschen. Daraus lässt sich bestimmt etwas Hübsches machen, eine Halskette oder Verzierungen für eine Tunika. Aus den Zähnen übrigens auch. Und was willst du mit diesem prachtvollen Schwanz anfangen?«
»Ich glaube, den behalte ich zusammen mit dem Pelz. Aber die Klauen und Zähne werde ich wohl eintauschen ... oder ich könnte eine Klaue als Lochmacher verwenden.«
Sie schnitten die Pfoten ab, brachen die Gelenke, trennten die Sehnen durch und zogen die pelzige Haut von der rechten Seite zum Rückgrat ab. Dabei benutzten sie eher die Hände als ihre Messer. Mit den Fäusten brachen sie durch die Membran zwischen Körper und Haut und arbeiteten sich so zu den fleischigeren Teilen der Läufe vor. Dann drehten sie den Kadaver um und begannen mit der linken Seite.
Sie unterhielten sich weiter und zogen und zerrten die Haut dabei vom Kadaver, um so wenig wie möglich schneiden zu müssen. »Wo wird Matagan unterkommen? Hat er Familie in der Neunten Höhle?«, fragte Ayla.
»Nein. Wir haben noch nicht entschieden, wo er wohnen soll.«
»Er wird sein Zuhause vermissen, vor allem am Anfang.
Wir haben eine Menge Platz, Jondalar. Er könnte bei uns wohnen.«
»Daran habe ich auch schon gedacht und wollte dich fragen, ob es dir recht wäre. Wir müssten ein wenig umstellen und ihm einen eigenen Schlafplatz einräumen, aber das dürfte die beste Lösung für ihn sein. Ich könnte mit ihm arbeiten, beobachten, was er macht und wie viel Interesse er zeigt. Wenn es ihm nicht gefällt, hat es keinen Zweck, doch ich hätte nichts gegen einen Lehrjungen einzuwenden. Und wegen seines verletzten Beins wäre es gut, wenn er ein Handwerk lernt.«
Sie mussten ihre Messer benutzen, um das Fell vom Rückgrat und von den Schultern zu lösen, wo es enger anlag und sich die Membran zwischen Fleisch und Haut nicht so klar abzeichnete. Dann mussten sie den Kopf entfernen. Während Jondalar das Tier straff hielt, fand Ayla die Stelle, an der Kopf und Hals zusammentrafen und der Kopf sich leicht drehen ließ. Dort schnitt sie durch das Fleisch bis auf den Knochen. Nach einer Drehung, einem raschen Bruch und einem Schnitt durch Haut und Sehnen war der Kopf ab und das Fell frei.
Jondalar hielt die prächtige Tierhaut hoch, und sie bewunderten das dichte, schöne Fell. Mit Jondalars Hilfe war das Häuten eine Kleinigkeit gewesen. Ayla musste an das erste Mal denken, als er ihr geholfen hatte, ein erlegtes Tier zu häuten. Damals hatte sie in dem Tal gelebt, in dem sie ihr Pferd gefunden hatte, und Jondalar erholte sich noch von seinen Verletzungen. Sie war überrascht gewesen, dass er nicht nur dazu bereit war, ihr zu helfen, sondern auch in der Lage. Männer des Clans verrichteten solche Arbeiten nicht, dafür fehlte ihnen das Gedächtnis, und Ayla vergaß manchmal immer noch, dass Jondalar ihr bei Aufgaben helfen konnte, die im Clan Frauenarbeit gewesen waren.
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