Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen
oberhalb eines breiten Schwemmlands in unterschiedlichen Felsnischen wohnten. Abglanz-Felsen lag nach Norden, was von Nachteil hätte sein können, wenn nicht das, was er zu bieten hatte, seine Nordseite mehr als wettmachte. Er bestand aus einer gewaltigen Felswand, fünfhundert Meter lang, achtzig Meter hoch, mit Felsnischen auf fünf Ebenen und der Möglichkeit, die umliegende Landschaft und die durchziehenden Tiere gut beobachten zu können. Und die spektakuläre Aussicht erfüllte viele Menschen mit Ehrfurcht.
Die Südgrotte genannte Höhle war eine zweistöckige Felsnische, die, wie ihr Name schon sagte, nach Süden lag und daher im Sommer und Winter das Sonnenlicht einfing. Zudem war sie hoch genug angesiedelt, um die Ebene gut überblicken zu können. Die dritte Höhle - Sommerlager befand sich am westlichen Ende der Ebene und bot unter vielen anderen Dingen eine reiche Haselnussernte. Im Spätsommer kamen die Menschen aus den anderen Höhlen zum Pflücken. Sie lag auch einer kleinen heiligen Höhle am nächsten, die von den Menschen, die in der Umgebung lebten, einfach Waldgrotte genannt wurde.
Da die drei Höhlen im Wesentlichen dieselben Jagd- und Sammelgründe benutzten, war es zu Streit gekommen, bis hin zu tätlichen Auseinandersetzungen. Das Gebiet konnte durchaus alle drei Gruppen versorgen, denn es bot nicht nur selbst reiche Beute, sondern war auch ein wichtiges Durchzugsgebiet, aber oft hatten es zwei oder mehr Sammel- oder Jagdgruppen aus unterschiedlichen Höhlen gleichzeitig auf dasselbe abgesehen. Zwei nicht abgesprochene Jagden auf dieselbe durchziehende Herde durchkreuzten die Pläne von beiden, und es war vorgekommen, dass sie die Tiere dadurch vertrieben hatten und gänzlich ohne Beute dastanden. Wenn alle drei Gruppen unabhängig auf Jagd gingen, wurde es noch schlimmer. Alle ZelandoniiHöhlen der Gegend wurden auf die eine oder andere Weise in die Unstimmigkeiten mit hineingezogen, und schließlich, auf Drängen aller Nachbarn und nach schwierigen Verhandlungen, hatten sich die drei Höhlen bereiterklärt, sich zu vereinen, eine Höhle mit drei Siedlungen zu werden und den Überfluss ihrer fruchtbaren Ebene miteinander zu teilen. Obwohl es noch gelegentlich zu Streitigkeiten kam, schien diese ungewöhnliche Höhlengemeinschaft zu funktionieren.
Da das Sommertreffen noch in vollem Gange war, befanden sich nur wenige Menschen in der Westgrotte der Neunundzwanzigsten Höhle. Die meisten Zurückgebliebenen waren alt oder krank und konnten die Wanderung nicht unternehmen. Hinzu kamen die, von denen sie versorgt wurden. In seltenen Fällen blieb jemand zurück, der gerade an etwas arbeitete, das sich nicht unterbrechen ließ oder nur im Sommer gemacht werden konnte. Die Reisenden wurden von den wenigen in der Westgrotte Verbliebenen freudig willkommen geheißen. So früh im Sommer bekamen sie selten Besuch, und da die drei vom Sommertreffen kamen, würden sie Neuigkeiten mitbringen. Außerdem waren sie etwas Besonderes: Jondalar, der von seiner Großen Reise Zurückgekehrte, seine fremde Frau und ihr Kind, dazu der Wolf und die Pferde sowie die Erste Unter Denen, Die Der Großen Erdmutter Dienen. Man freute sich vor allem für die Kranken und Schwachen, weil zwei der Besucher Heilerinnen waren und zumindest eine davon als die beste ihres Volkes galt.
Die Neunte Höhle hatte immer besonders gute Beziehungen zu den Menschen von Drei Felsen gehabt, die in Sommerlager wohnten. Jondalar erinnerte sich, dass er als Junge dort gewesen war, um bei der Ernte der Nüsse zu helfen, die in ihrer Umgebung so reichlich wuchsen.
Eine junge Frau mit hellblondem Haar und bleicher Haut trat aus dem Wohnplatz unter dem Abri und blickte sie erstaunt an. »Was macht ihr denn hier?«, fragte sie und fing sich gleich wieder. »Entschuldigt, ich wollte nicht grob sein. Ich war nur so überrascht, euch zu sehen. Ich habe niemanden erwartet.«
Auf Ayla wirkte die Frau traurig und abgespannt, mit dunklen Ringen unter den Augen.
Zelandoni erkannte sie als die Gehilfin der Zelandoni von der Westgrotte der Neunundzwanzigsten Höhle. »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen«, sagte die Erste. »Ich weiß, dass wir dich überrascht haben. Ich begleite Ayla auf ihrer ersten Donier-Reise. Ich will sie dir vorstellen.« Die Erste beließ es bei der abgekürzten Version einer förmlichen Vorstellung und meinte dann: »Ich frage mich, warum eine Gehilfin zurückgeblieben ist. Ist jemand besonders krank?«
»Vielleicht
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