Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen
die Frau leise und mit leichtem Zögern. »Natürlich habe ich nichts dagegen.«
Ayla war erstaunt, dass die Erste es ihr überließ, die Frau zu untersuchen, doch dann ging ihr auf, wie eng es hier war und dass die beleibte Frau vielleicht Schwierigkeiten haben könnte, sich neben den Schlafplatz zu hocken. Sie kniete sich hin und blickte die Frau an. »Hast du jetzt Schmerzen?«, fragte sie.
»Ja.«
»Kannst du mir zeigen, wo der Schmerz sitzt?«
»Das ist schwer zu sagen. Innen.«
»Weiter oben oder weiter unten?«
»Überall.«
»Darf ich dich berühren?«
Die Frau blickte zu ihrer Tochter, die wiederum Zelandoni anschaute. »Sie muss deine Mutter untersuchen«, sagte die Erste.
Vashona nickte zustimmend, und Ayla zog die Decke weg, öffnete die Kleidung und legte den Bauch frei. Sofort bemerkte sie, dass die Frau aufgebläht war. Ayla drückte auf den Bauch, fing oben an und arbeitete sich dann über die Wölbung nach unten vor. Vashona zuckte zusammen, schrie aber nicht auf. Ayla legte ihr die Hand auf die Stirn und tastete sie hinter den Ohren ab, beugte sich vor und sog den Atem der Frau ein. Dann hockte sie sich nachdenklich auf die Fersen.
»Spürst du einen brennenden Schmerz in der Brust, vor allem, wenn du gegessen hast?«, fragte sie.
»Ja«, erwiderte die Frau mit einem fragenden Blick.
»Und kommt Luft aus deinem Mund, mit einem lauten Geräusch in der Kehle, wie bei einem Säugling, den man aufstoßen lässt?«
»Ja, aber viele rülpsen«, antwortete Vashona.
»Das stimmt. Hast du darüber hinaus auch Blut gespuckt?«
Vashona runzelte die Stirn. »Manchmal.«
»Hast du in deinen Ausscheidungen Blut festgestellt oder eine dunkle, klebrige Masse?«
»Ja«, antwortete die Frau fast flüsternd. »In letzter Zeit mehr. Woher weißt du das?«
»Sie weiß es, weil sie dich untersucht hat«, warf Zelandoni ein.
»Was hast du gegen die Schmerzen genommen?«, fragte Ayla.
»Das, was alle bei Schmerzen nehmen. Ich habe Weidenrindentee getrunken«, erwiderte Vashona.
»Und trinkst du auch viel Pfefferminztee?«
Vashona und Shevona blickten die Fremde verblüfft an.
»Das ist ihr Lieblingstee«, sagte Shevona.
»Ein Aufguss aus Süßdolde oder Kerbel wäre besser«, riet Ayla. »Und zunächst keinen Weidenrindentee mehr. Manche glauben, weil alle ihn verwenden, kann er nicht schaden. Aber zu viel davon schon. Weidenrinde ist eine Medizin, jedoch nicht gegen alles, und sie sollte nicht regelmäßig verwendet werden.«
»Kannst du ihr helfen?«, fragte die Gehilfin.
»Ich denke schon. Ich glaube, ich weiß, was ihr fehlt. Es ist etwas Ernstes, aber es gibt Dinge, die helfen können. Allerdings muss ich dir sagen, dass es etwas sehr viel Ernsteres sein kann, das viel schwerer zu behandeln ist. Wir können jedoch zumindest ihre Schmerzen lindern.«
Ayla fing Zelandonis Blick auf, die ihr wissend zunickte.
»Was würdest du als Behandlung vorschlagen, Ayla?«, fragte sie.
Die junge Frau überlegt kurz. »Wie gesagt, Süßdolde oder Kerbel zur Beruhigung des Magens und zur Stärkung. Ich habe etwas davon in meinem Medizinbeutel. Und ich habe gesehen, dass hier viel Löwenzahn wächst, der das Blut reinigt und die Darmtätigkeit anregt. Ich habe gerade Labkraut gepflückt, das ihren Körper entschlacken kann, und ein Absud aus Waldmeister ist gut für den Magen und kann ihr helfen, sich insgesamt besser zu fühlen. Vielleicht finde ich noch weitere Wurzelstöcke von Nelkenwurz, die ich vorgestern Abend zum Würzen benutzt habe. Sie sind bei Magenbeschwerden besonders gut. Aber was ich wirklich gerne hätte, ist Schellkraut; das würde am meisten helfen. Es eignet sich gut zur Behandlung ihrer möglichen Erkrankungen, vor allem, wenn es sich um die ernstere handelt.«
Die junge Gehilfin sah Ayla voller Ehrfurcht an. Die Erste wusste, dass sie neu in der Zelandonia war und noch viel zu lernen hatte. Sie wandte sich an sie.
»Vielleicht könntest du Ayla bei der Zubereitung des Heilmittels für deine Mutter helfen. So kannst du lernen, wie du sie herstellen musst, wenn wir fort sind.«
»O ja. Ich helfe ihr gern.« Die junge Frau warf ihrer Mutter einen zärtlichen Blick zu. »Ich glaube, diese Medizin wird dir helfen, wieder gesund zu werden.«
Ayla sah den Funken des Lagerfeuers nach, die aufstoben, als wollten sie ihre glitzernden Brüder hoch oben am Himmel erreichen. Die Nacht war dunkel, der junge Mond war bereits untergegangen. Nicht eine Wolke verdeckte die funkelnden Sterne, die wie durch Lichtstränge
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