Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen
Zelandoni der Fünften Höhle schmunzelte. »Euch macht es ja wohl nichts aus, und ich bezweifle, dass jemand anders etwas dagegen hat.«
Auch einige der Umstehenden lächelten oder kicherten. Die Tiere und diejenigen mit Ehrfurcht zu betrachten, die mit ihnen umzugehen wussten, war das eine, aber ein Tier zu sehen, das seinen natürlichen Bedürfnissen nachgab, nahm ihnen ein wenig von ihrem Zauber. Bei ihrer Ankunft hatte Ayla die zurückhaltende Reaktion der Menschen bemerkt und war nun froh, dass Renner diesen Augenblick gewählt hatte, um zu zeigen, dass er nur ein Pferd war.
Zelandoni sammelte die Polster ein und prüfte sie. Manche waren aus Leder, andere aus gewebten Pflanzenfasern wie Gras, Schilf und Rohrkolben. Bei einigen trat das Füllmaterial heraus, daher hatte man sie wahrscheinlich in der selten benutzten Zuflucht liegen lassen. Sie klopfte die Polster an der Felswand aus und stapelte sie an der Feuerstelle, neben die Jondalar das Zelt gelegt hatte. Ayla wollte Jonayla schon auf den Rücken schieben, damit sie Jondalar beim Aufstellen helfen konnte.
»Ich nehme sie«, bot die füllige Frau an und streckte die Arme nach Jonayla aus. Sie sah zu, wie Jondalar und Ayla ihr Zelt an einem der mit Steinen umgebenen Aschekreise aufbauten und Brennstoff und Zunder bereitlegten, mit dem sie schnell ein Feuer entzünden konnten. Dann breiteten sie ihre Schlaffelle und andere Ausrüstung im Zelt aus. Wolf blieb bei ihnen. Schließlich brachten sie beide Schleifstangen im hinteren Teil des Abris unter, richteten davor Plätze für die Pferde ein und räumten Renners Pferdeäpfel aus dem Weg.
Ein paar Kinder von der hiesigen Höhle standen herum und sahen ihnen zu, wagten sich aber nicht zu nahe heran, bis auf ein Mädchen, dessen Neugier schließlich die Oberhand gewann. Sie näherte sich der Zelandoni und der Kleinen. Die Erste schätzte, dass das Mädchen etwa neun oder zehn Jahre zählte.
»Ich würde das Kind gern halten. Darf ich?«, fragte das Mädchen.
»Wenn sie dich lässt. Sie hat einen eigenen Willen«, antwortete die Frau.
Das Mädchen streckte die Arme nach der Kleinen aus. Jonayla zögerte, lächelte sie aber scheu an, als sie näher kam und sich setzte. Am Ende löste Jonayla sich von Zelandoni und krabbelte zu der Fremden, die sie hochhob und auf ihren Schoß setzte.
»Wie heißt sie?«
»Jonayla. Und wie heißt du?«
»Hollida«, erwiderte das Mädchen.
»Anscheinend magst du kleine Kinder«, stellte Zelandoni fest.
»Meine Schwester hat auch ein kleines Mädchen, aber sie ist fort und besucht die Familie ihres Gefährten. Er stammt von einer anderen Höhle. Ich habe sie den ganzen Sommer nicht gesehen«, sagte Hollida.
»Und sie fehlt dir, nicht wahr?«
»Ja. Ich hätte es nicht erwartet, aber es ist so.«
Ayla hatte das Mädchen bereits zuvor bemerkt und verfolgte nun den Wortwechsel. Mit einem stillen Lächeln erinnerte sie sich, wie sehr sie sich früher ein Kind gewünscht hatte. Dabei fiel ihr Durc ein. Er könnte jetzt so alt wie das Mädchen sein, doch im Clan würde man ihn für erwachsener halten, als es das Mädchen offensichtlich war. Er wird groß, dachte sie. Ayla wusste, dass sie ihren Sohn nie wiedersehen würde, kam jedoch nicht umhin, manchmal an ihn zu denken.
Jondalar sah ihren wehmütigen Ausdruck, während sie zuschaute, wie das Mädchen mit Jonayla spielte, und fragte sich, was ihr wohl durch den Sinn gehen mochte. Dann schüttelte Ayla den Kopf, lächelte wieder, rief Wolf zu sich und ging zu ihnen. Wenn das Mädchen sich mit Jonayla beschäftigen will, dachte Ayla, stelle ich sie lieber Wolf vor, damit sie keine Angst vor ihm hat.
Nachdem alle drei Erwachsenen ausgepackt und sich eingerichtet hatten, kehrten sie zum ersten Abri zurück. Hollida begleitete sie, die übrigen Kinder, die zugeschaut hatten, liefen voraus. Als die Besucher sich der Wohnstätte des Zelandoni der Fünften Höhle näherten, warteten mehrere Menschen vor der großen Öffnung in der Felswand. Ihr Kommen war von den Kindern angekündigt worden. Allem Anschein nach war eine Feier geplant. An mehreren Feuerstellen in dieser Behausung wurde gekocht. Ayla fragte sich, ob sie ihre Reisekleidung hätte ablegen und gegen etwas Geeigneteres austauschen sollen, doch weder Jondalar noch die Erste hatten sich umgezogen. Einige Menschen tauchten aus der Felsnische im Norden auf sowie aus jenen auf der anderen Talseite, an denen sie vorbeigekommen waren. Ayla lächelte vor sich hin. Offensichtlich hatten die
Weitere Kostenlose Bücher