Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen
Moment nicht alle zugegen waren. Wie alle Zelandonii reisten die Menschen im Sommer, sie besuchten einander, gingen auf die Jagd, trafen sich und sammelten Materialien, die sie für die Herstellung von Gegenständen benötigten.
Ayla fiel ein Bereich auf, der vor kurzem von jemandem verlassen worden war. Aus dem herumliegenden Material schloss sie, dass er mit Elfenbein gearbeitet hatte. Sie sah genauer hin und entdeckte Stücke in unterschiedlichen Stadien der Bearbeitung. Die Stoßzähne waren zunächst immer wieder eingekerbt worden, um stabförmige Abschnitte abzutrennen, und ein paar Stäbchen lagen aufgeschichtet da. Zwei Stäbe waren in Zweierabschnitte unterteilt, die dann zu zwei runden, zusammenhängenden Segmenten ausgearbeitet worden waren. Das flache Stück dazwischen war direkt über jeder Rundung durchbohrt, dann eingekerbt und durchgeschnitten worden, damit zwei Perlen entstanden, die anschließend zu ihrer endgültigen, abgerundeten Korbform geglättet werden mussten.
Ein Mann und eine Frau, beide in mittleren Jahren, waren neben Ayla getreten, als sie in die Hocke ging, um das Elfenbein genauer in Augenschein zu nehmen. Nicht im Traum hätte sie daran gedacht, etwas anzufassen. »Diese Perlen sind bemerkenswert, habt ihr sie gemacht?«, fragte Ayla.
Sie lächelten beide. »Ja, die Herstellung von Perlen ist mein Handwerk«, sagten sie wie aus einem Mund und mussten über die unbeabsichtigte Gleichzeitigkeit lachen.
Ayla fragte, wie lange es dauere, die Perlen herzustellen, und erfuhr, dass man Glück habe, wenn es einem gelang, fünf oder sechs Perlen vom ersten Licht bis zum Sonnenhochstand anzufertigen, um dann eine Pause für die Mittagsmahlzeit einzulegen. Ausreichend Perlen für eine Kette herzustellen, je nachdem, wie lang sie sein sollte, dauere zwischen einigen Tagen und einem bis zwei Monden. Die Perlen waren äußerst kostbar.
»Das scheint ein schwieriges Handwerk zu sein. Allein wenn ich die verschiedenen Arbeitsgänge betrachte, weiß ich meine Hochzeitstunika noch mehr zu schätzen. Darauf sind viele Elfenbeinperlen genäht«, sagte Ayla.
»Wir haben sie gesehen!«, rief die Frau. »Sie war wunderschön. Wir haben uns die Tunika hinterher angeschaut, als Marthona sie ausgestellt hat. Die Elfenbeinperlen waren meisterhaft gefertigt, in einem etwas anderen Verfahren, glaube ich. Das Loch schien ganz durch die Perle zu gehen, vielleicht wurde es von beiden Seiten hineingetrieben. Das ist sehr schwierig. Darf ich fragen, woher du sie hast?«
»Ich war eine Mamutoi - sie leben weit im Osten -, und die Gefährtin des Anführers hat mir die Tunika geschenkt, sie heißt Nezzie vom Löwenlager. Natürlich geschah das, weil sie glaubte, ich würde mich mit dem Sohn der Gefährtin ihres Bruders verbinden. Als ich dann aber beschloss, mit Jondalar fortzugehen, sagte sie mir, ich solle sie für meine Hochzeitszeremonie mit ihm behalten. Sie hat ihn auch sehr gemocht«, erklärte Ayla.
»Sie muss ihn und dich sehr gemocht haben«, sagte der Mann. Er dachte, dass die Ausstattung nicht nur schön, sondern äußerst wertvoll war, sprach es aber nicht laut aus. Jemandem so viel zu schenken, der es mitnehmen würde, bedeutete, dass ihr sehr viel an der jungen Frau gelegen sein musste. Das half ihm, die Stellung besser zu verstehen, die man der fremden Frau eingeräumt hatte, obwohl sie keine geborene Zelandonii war. »Ohne Zweifel ist es eine der verblüffendsten Ausstattungen, die ich je gesehen habe.«
Der Zelandoni der Fünften Höhle fügte hinzu: »Sie stellen auch Perlen und Ketten aus Muscheln von den Großen Wassern des Westens und vom Südlichen Meer her, sie schnitzen Anhänger aus Elfenbein und durchbohren Zähne. Auch Menschen von anderen Höhlen wollen ihre Arbeiten haben.«
»Ich bin an einem Meer aufgewachsen, weit im Osten. Ich würde gern ein paar von euren Muscheln sehen.«
Das Paar, von dem Ayla nicht genau sagen konnte, ob sie Gefährten oder Geschwister waren, holte Beutel und Behälter aus einer Ecke und kippte sie aus, eifrig darauf bedacht, seine Reichtümer vorzuzeigen - Hunderte meist kleiner Muscheln, kugelförmige Mollusken wie Uferschnecken oder längliche Formen wie Stoßzahnmuscheln, die man auf Kleidung nähen oder zu Ketten auffädeln konnte. Auch ein paar Kammmuscheln waren darunter, doch die meisten Schalen stammten von Meerestieren, die nicht essbar waren, was bedeutete, dass sie ausschließlich zu dekorativen Zwecken mitgebracht worden waren. Entweder waren
Weitere Kostenlose Bücher