Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen
getöteten Artgenossen hinter sich.
Es war vorbei.
Alles war unglaublich schnell gegangen. Die Jäger liefen zu den erlegten Tieren. Neun blutende Wisente lagen im Flussbett verstreut. Den Speeren nach zu urteilen hatten Willamar, Palidar, Tivonan, Jonokol, Kimeran und Jondecam jeweils ein Tier erlegt. Jondalar und Ayla hatten zusammen drei getötet.
»Ich habe nicht damit gerechnet, dass wir so erfolgreich sein würden.« Jonokol überprüfte die Zeichen an dem Speer, um sicherzugehen, dass das Tier ihm gehörte. »Vielleicht hätten wir unsere Jagd im Voraus absprechen sollen. Das ist zu viel des Guten.«
»Stimmt, wir brauchten nicht so viele«, sagte Willamar, »aber das heißt doch, wir haben mehr zu teilen. Nichts wird verderben.« Er brachte immer gern etwas mit, wenn er zu einer neuen Höhle kam.
»Aber wie sollen wir die denn alle befördern? Drei Pferde können nicht neun riesige Wisente auf Schleiftragen ziehen.« Palidars Speer hatte einen gewaltigen Bullen getroffen, und er wusste nicht einmal, wie er das eine Tier von der Stelle bewegen sollte, geschweige denn den Rest.
»Jemand sollte zur nächsten Höhle vorausgehen und Leute holen, die uns helfen. Ich glaube nicht, dass sie etwas dagegen haben. Sie müssen sie nicht einmal jagen.« Jondalar waren ähnliche Gedanken durch den Kopf gegangen, denn er hatte mehr Erfahrung mit derart großen Tieren und wusste, dass viele Hände die Sache erleichterten. »Du hast Recht, aber ich glaube, wenn wir die Tiere zerteilen wollen, müssen wir unseren Lagerplatz hierherverlegen.« Jondecam freute sich nicht gerade auf einen Umzug.
»Wir könnten die Tiere aber auch hier häuten«, sagte Ayla, »sie dann in große Stücke schneiden und in mehreren Fuhren zum Lagerplatz schaffen. Außerdem können wir anfangen, einen Teil des Fleisches zu dörren. Dann können wir frisches Fleisch zur nächsten Höhle bringen und um Hilfe für den restlichen Transport bitten.«
»Das ginge«, meinte Willamar. »Ich werde die Hörner nehmen und zwei Trinkbecher daraus machen.«
»Ich hätte nichts dagegen, ein paar Hufe zu behalten und zu Klebstoff zu zerkochen, um Speerspitzen an Schäften zu befestigen«, sagte Jondalar. »Harz ist gut und schön, aber Hufe und Knochen geben einen besseren Klebstoff ab.«
Während sie so beieinanderstanden, wurde Ayla plötzlich klar, wie nah sie an ihrem Ziel waren. Bald würden sie Amelana bei ihrer Höhle abliefern, dann würden sie die Älteste Heilige Stätte besichtigen, die Ayla nach Meinung der Ersten unbedingt sehen sollte; sie lag nicht weit entfernt. Danach waren es, Willamar zufolge, nur noch zwei Tage bis zu Beladoras Höhle. Dann würden sie umkehren und wieder heimwärts ziehen.
Der Rückweg würde genauso lange dauern wie der Hinweg, doch als Ayla sich umschaute, schien ihr, als habe die Große Mutter sie mit dem gesamten Bedarf für die Rückreise versorgt. Sie hatten das Material, das sie benötigten, um abgenutzte Ausrüstung zu ersetzen, Waffen und Kleidung. Sie hatten mehr als genug Fleisch zum Trocknen und um Reisefladen herzustellen, die wichtig waren, wenn man in Eile weite Entfernungen zurückzulegen hatte. Außerdem hatten sie getrocknete Wurzeln, Stängel bestimmter Pflanzen und die üblichen Pilzsorten, die jeder kannte.
»Hier war ich schon einmal! Ich kenne diese Gegend!«, rief Amelana. Sie war so aufgeregt, einen vertrauten Ort zu sehen, dass sie ihre Begeisterung nicht verbergen konnte. Jetzt gab es kein Halten mehr, ob schwanger oder nicht, sie konnte es kaum erwarten, nach Hause zu kommen.
Die kleine Gruppe näherte sich einem gut markierten Pfad, der an einer scharfen Biegung des Flusses entlangführte. Ein altes Überschwemmungsgebiet hatte oberhalb des rasch dahinfließenden Wassers eine breite, mit Gras bewachsene Ebene hinterlassen, die am Fuß einer steilen Felswand abrupt endete. Ein schöner Platz zum Grasen für die Pferde, dachte Ayla.
Der breite Pfad wand sich langsam an der Seite der Felswand empor, führte um Gebüsch und kleine Bäume herum, deren Wurzeln zum Teil als Stufen benutzt wurden. Für die Pferde war er nicht leicht zu begehen, besonders mit den Schleiftragen, doch Ayla erinnerte sich, wie sicher Winnie auf den Beinen gewesen war, als sie in dem Tal, in dem sie die Stute gefunden hatte, zu ihrer Höhle hinaufgestiegen war.
Der Weg wurde flacher, vielleicht durch Menschenhand bewirkt, dachte Ayla, als die Reisenden in einer offensichtlich dicht bewohnten Gegend an einen schützenden
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