Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen
mitgebracht hatten, wurden die Federn an Ort und Stelle gehalten. Jonokol zerrieb Holzkohle, die zusammen mit heißem Wasser zu einem warmen Harzbrocken gegeben und verrührt wurde. Dann tauchte er einen Stock in die zähe, schwarze Flüssigkeit und malte damit Zeichen, Abelans, auf mehrere Speerschäfte. Jeder Abelan war einzigartig und einer bestimmten Person wie auch ihrem Namen zugeordnet. Er war der Name eines Lebensgeistes, ein persönliches Zeichen, das ein Kind kurz nach seiner Geburt von einem Angehörigen der Zelandonia erhielt. Es war keine Schrift, sondern eine symbolische Verwendung von Zeichen.
Jondalar hatte sowohl für Ayla als auch für sich Speere angefertigt und reichte sie ihr, damit sie ihren eigenen Abelan anbringen konnte. Auf jeden Schaft zeichnete sie vier eng beieinanderliegende Linien. Das war ihr persönliches Zeichen. Da sie nicht bei den Zelandonii geboren war, hatte sie ihren Abelan selbst gewählt. Die Zeichen passten zu den Narben an ihrem Bein, die ihr ein Höhlenlöwe zugefügt hatte, als sie noch klein war. So hatte Creb entschieden, dass der Höhlenlöwe ihr Totem war.
Die Markierungen würden später benutzt, um festzustellen, welcher Jäger ein bestimmtes Tier erlegt hatte. Auf diese Weise bekam jeder einen Teil der Beute, und die Verteilung des Fleisches war gerecht. Dabei erhielt die Person, die das Tier erlegt hatte, nicht das ganze Fleisch, aber sie konnte sich zuerst die besten Stücke aussuchen und durfte diejenigen mit Fleisch versorgen, die darauf Anspruch hatten, was noch wichtiger sein konnte. Es bedeutete Lob, Anerkennung und Verpflichtung. Die besten Jäger verschenkten oft den größten Teil ihres Fleisches, nur um der Ehre willen, manchmal zum Entsetzen ihrer Gefährtinnen, doch das erwartete man von ihnen.
Bis die Speere fertiggestellt waren, hatte Jondalar fast den gesamten Feuerstein aufgebraucht, den er für die Spitzen gefunden hatte, die besten Federn waren an den Speerschäften angebracht worden, damit die Waffen zielsicher flogen, und es war an der Zeit für die Mahlzeit, die Ayla vorbereitet hatte.
Viele Körbe Blaubeeren waren gepflückt und größtenteils auf geflochtenen Matten zum Trocknen ausgelegt worden. Der Überschuss wurde in einer stabilen, aus Rohrkolbenblättern geflochtenen neuen Schüssel mit Binsen vermischt, die in einem Sumpf in der Nähe des Altarms wuchsen, und mit im Feuer erhitzten Steinen zu einer Soße verkocht. Die Soße wurde nur durch die Früchte selbst gesüßt, doch häufig wurden aromatische Blüten, Blätter und Rinden verschiedener Pflanzen hinzugefügt. Für das heutige Mahl hatte Ayla Mädesüß gefunden, dessen winzige Blüten cremig schäumten und honigsüß dufteten, sowie die blauen Blüten von Ysop, der sich auch gut als Arznei gegen Husten eignete. Zur Anreicherung wurde ausgelassenes Fett hinzugefügt.
Die Mahlzeit wurde von allen als köstlich gelobt, als regelrechtes Festessen. Die Raufußhühner hatten ein besonderes Fleisch, einen neuen Geschmack, etwas anderes als das Dörrfleisch, das sie so oft aßen, und durch das Schmoren im Erdofen waren die Vögel zart geworden, selbst die zähen alten Männchen. Das Gras, in das sie eingewickelt waren, hatte sein eigenes Aroma beigetragen, und die Fruchtsoße rundete alles durch ihren angenehmen, pikanten Geschmack ab. Für die Morgenmahlzeit blieb nicht so viel übrig wie sonst, aber es reichte aus, wenn man noch die zarten unteren Stängel und Wurzelstöcke der gesammelten Rohrkolben hinzufügte.
Alle waren aufgeregt vor der Jagd am nächsten Tag. Jondalar und Willamar unterhielten sich mit den anderen darüber, doch sie konnten sich auf keine Strategie festlegen, bevor sie nicht genau wussten, wo die Wisente waren. Sie würden warten müssen, bis sie die Tiere fanden. Da es noch hell war, wollte Jondalar kurz entschlossen der Spur noch einmal folgen und nach der Herde suchen. Wie weit sie gezogen sein könnte, ließ sich nur schwer abschätzen. Ayla und Jonayla ritten mit, um ihren Pferden Auslauf zu verschaffen. Sie fanden die Wisente tatsächlich, aber nicht an der gleichen Stelle. Jondalar war froh, dass er ihrer Spur erneut gefolgt war, damit er die Jäger direkt zu ihnen führen konnte.
Am frühen Morgen war es immer kühl, sogar mitten im Sommer. Als Ayla aus dem Zelt trat, war die Luft frisch und feucht. Kalter Dunst hing über dem Boden, und über dem Altarm lag eine Nebelschicht. Beladora und Levela waren bereits auf den Beinen und schürten das Feuer. Auch
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