Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen
ihre Kinder waren wach, Jonayla war bei ihnen. Ayla hatte nicht gehört, wie sie aufgestanden war, doch das Kind konnte sehr leise sein, wenn es wollte. Als sie ihre Mutter erblickte, lief sie zu ihr.
»Endlich bist du aufgestanden, Mutter!«, rief sie, als Ayla sie hochhob und in die Arme schloss. Ayla glaubte nicht, dass ihre Tochter schon lange wach war, doch sie wusste, dass Kinder ein anderes Zeitgefühl hatten als Erwachsene.
Nachdem sie Wasser gelassen hatte, beschloss Ayla, im Altwassersee zu schwimmen, bevor sie wieder ins Zelt ging. Kurz darauf tauchte sie in ihrer Jagdkleidung wieder auf. Ihre Emsigkeit weckte Jondalar, der zufrieden unter seinem Schlaffell liegen blieb und sie beobachtete. Am Vorabend war er gut befriedigt worden. Das ärmellose Hemd bot nicht viel Wärme, doch die Jäger wollten nicht zu viel anziehen, denn sie wussten, dass die Temperatur später ansteigen und ihnen bei der Jagd noch warm genug werden würde.
Wieder sollte Grau bei Jonayla zurückgelassen werden, doch das Kind wollte nicht bleiben.
»Mutter, kann ich nicht mitkommen, bitte? Du weißt, dass ich Grau reiten kann«, bettelte das Mädchen.
»Nein, Jonayla. Das wäre zu gefährlich für dich. Es kann immer etwas passieren, womit du nicht rechnest, und manchmal muss man sein Pferd schnell aus dem Weg bringen. Und du kannst noch nicht jagen.«
»Aber wann lerne ich es?«, fragte sie wissbegierig.
Ayla erinnerte sich an die Zeit, als sie es selbst unbedingt lernen wollte, obwohl die Frauen des Clans eigentlich nicht jagen durften. Sie musste es sich heimlich beibringen. »Ich sage dir, was ich tun werde«, erwiderte sie. »Ich werde Jonde bitten, dir eine Speerschleuder zu machen, eine kleine in deiner Größe, damit du anfangen kannst zu üben.«
»Wirklich, Mutter? Versprochen?«
»Ja, versprochen.«
Jondalar und Ayla führten ihre Pferde, damit die anderen mit ihnen Schritt halten konnten. Er fand die gewaltigen Wisente - knapp zwei Meter Schulterhöhe mit gigantischen Hörnern und dichtem, dunkelbraunem Fell - nicht weit von der Stelle, an der er sie zuletzt gesehen hatte. Die Herde war mittelgroß, aber sie wollten nicht alle Tiere erlegen. Ein paar würden für ihre kleine Gruppe genügen.
Sie berieten sich darüber, wie die Wisente am besten zu jagen wären, und beschlossen, die Herde vorsichtig zu umgehen, um sie nicht aufzuschrecken, und zu erkunden, wie das Gelände in der Nähe beschaffen war. Es gab keinen geeigneten Talkessel, in den man sie hätte treiben können, aber sie fanden ein trockenes Flussbett mit ziemlich hohen Ufern zu beiden Seiten.
»Das könnte funktionieren«, meinte Jondalar. »Wir legen am unteren Ende ein Feuer, entzünden es aber erst, wenn wir sie nah herangetrieben haben. Das Feuer muss also vorbereitet und vielleicht mit einer Fackel entfacht werden. Dann müssen wir sie darauf zutreiben.«
»Meinst du wirklich, das funktioniert? Wie sollen wir sie denn in Bewegung bringen?«
»Mit den Pferden und mit Wolf«, erwiderte Jondalar.
»Sobald sie an die schmale Stelle kommen, kann jemand das Feuer anzünden, um sie abzubremsen. Andere können an den hohen Ufern warten. Legt euch am besten auf den Boden, und wenn sie vor euch sind, springt ihr auf und benutzt eure Speerschleudern. Wir sollten Holz sammeln und es dort unten aufschichten. Dann holt Zunder und anderes leicht entflammbares Material.«
»Klingt, als hättest du das alles schon ausgetüftelt«, sagte Tivonan.
»Ich habe darüber nachgedacht und mit Kimeran und Jondecam ein paar Möglichkeiten besprochen. Auf unserer Reise haben wir mit den Pferden und Wolf immer ein oder zwei Tiere von einer Herde abgesondert. Sie sind es gewohnt, uns zu helfen.«
»So habe ich gelernt, die Speerschleuder auf dem Pferderücken zu benutzen«, fügte Ayla hinzu. »Einmal haben wir sogar ein Mammut erlegt.«
»Ich finde, der Plan klingt gut«, sagte Willamar.
»Ich auch, aber ich bin kein guter Jäger«, bemerkte Jonokol. »Ich war noch nicht oft auf der Jagd, zumindest nicht, bevor ich an dieser Donier-Reise teilnahm.«
»Mag sein, dass du noch nicht oft gejagt hast, aber inzwischen bist du ein passabler Jäger, finde ich«, sagte Palidar.
Die anderen stimmten ihm zu.
»Also habe ich von dieser Reise zusätzlich profitiert. Ich sehe nicht nur ein paar faszinierende heilige Stätten, sondern lerne auch, besser zu jagen.« Jonokol grinste.
»Dann lasst uns trockenes Gras und Brennholz suchen«, forderte Willamar sie auf.
Ayla und Jondalar halfen der
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