Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen
weiß, dass es giftige Pilze gibt. Man kann sie
leicht erkennen und herauspicken.«
»Du hast Recht. Auch wenn mit Balderan etwas nicht
stimmt, dumm ist er nicht. An welche Pflanzen hattest du
gedacht?«
»Ich kenne zwei Pflanzen, von denen ich weiß, dass sie
hier in der Gegend wachsen, weil ich sie gesehen habe. Die
eine heißt Wassersellerie und wächst in Gewässern. Sie ist
essbar, vor allem die Wurzeln, wenn sie jung und zart sind.
Aber es gibt noch eine andere Pflanze, die sehr ähnlich aussieht und hochgiftig ist. Ich kenne das Wort dafür nur in
der Sprache der Mamutoi. Ich weiß nicht, wie ihr sie nennt,
aber ich kenne sie.«
»Ich weiß, welche Pflanze du meinst. Das ist der Schierling«, sagte die Erste. »So nennen wir sie. Auch der Schierling wächst im Wasser. Daher kann die gleiche Mahlzeit für
den gesamten Lagerplatz zubereitet werden, alle anderen
bekommen Wassersellerie, nur Balderan und seinen Männern setzen wir Schierling vor.« Sie hielt kurz inne. »Ich
dachte, man könnte ihnen auch Pilze reichen, essbare. Womöglich halten sie die für giftig und lassen sie liegen und
achten vielleicht nicht auf das Wurzelgemüse, weil es so
aussehen wird, als äßen es alle.«
»Das habe ich mir auch überlegt, es sei denn, jemandem
fällt noch etwas Besseres ein.«
Die beleibte Frau dachte erneut nach und nickte dann.
»Gut, wir haben einen Plan. Es ist immer gut, vorbereitet zu
sein«, sagte die Zelandoni, Die Die Erste Ist.
Als die beiden Frauen das Zelt verließen, fanden sie draußen niemanden vor. Ihre Reisegefährten hatten sich zum
improvisierten Sommertreffen aufgemacht, um nach dem
Rechten zu sehen und ihre Hilfe beim Kochen oder allen
anderen Aufgaben anzubieten. Nur war dies kein glückliches Zusammentreffen von Verwandten, Freunden und
Nachbarn. Diese Versammlung sollte eine Strafe über
ernsthafte Vergehen aussprechen.
Immer mehr Menschen trafen ein, und die Wiese am Fuß
der Felswand begann sich zu füllen. Die größte Überraschung kam jedoch am späten Nachmittag. Ayla und die
Erste waren im Zelt der Zelandonia, als Jonayla hereinstürmte und die Besprechung unterbrach.
»Mutter, Mutter«, rief sie. »Kimeran hat mir aufgetragen,
ich soll es dir sagen.«
»Was, Jonayla?«, fragte Ayla mit strenger Stimme. »Beladoras Familie ist hier. Und eine fremde Person ist
bei ihnen.«
»Beladoras Familie? Sie sind nicht einmal Zelandonii, sie
sind Giornadonii. Sie leben weit entfernt von hier, wie sollten sie in nur einem Tag hierhergekommen sein?«, fragte
Ayla und wandte sich an die anderen. »Ich glaube, ich muss
hingehen.«
»Ich komme mit«, sagte die Erste. »Bitte entschuldigt
uns.«
»Sie leben nicht so weit entfernt«, erklärte Zelandoni die
Erste, die sie hinausbegleitete. »Und sie kommen uns oft
besuchen. Mindestens alle zwei Jahre. Ich glaube, sie sind
ebenso Zelandonii wie Giornadonii, aber ich bezweifle, dass
sie aufgrund der Läufer gekommen sind, die wir ausgeschickt haben. Wahrscheinlich hatten sie ohnehin vor, uns zu besuchen. Sie waren vermutlich ebenso überrascht, ihre
Verwandte zu sehen, wie umgekehrt.«
Kimeran stand draußen und hatte Zelandoni die Erste gehört. »Das stimmt nicht ganz«, berichtigte er. »Sie waren
beim Sommertreffen der Giornadonii und beschlossen
dann, zu unserem Sommertreffen zu gehen. Sie hatten vor,
später hierherzukommen. Sie waren auf dem Lagerplatz des
Treffens, als der Läufer kam und sie von ihm erfuhren, dass
wir hier sind. Natürlich hörten sie auch von Balderan.
Wusstet ihr, dass er einigen Höhlen der Giornadonii Ärger
bereitet hat? Gibt es überhaupt jemanden, den er nicht verletzt oder verstimmt hat?«
»In Kürze wird eine Versammlung darüber stattfinden«,
sagte Zelandoni die Erste. »Wir müssen bald eine Entscheidung treffen.« Dann fiel ihr noch etwas ein. »Sagtest du
nicht, dass eine fremde Person bei ihnen sei?«
»Ja, aber das wirst du mit eigenen Augen sehen.« Ayla und die Erste wurden Beladoras Verwandten formell
vorgestellt, dann fragte die Erste, ob sie ihr Lager bereits
aufgeschlagen hätten.
»Nein, wir sind gerade erst eingetroffen«, erwiderte die
Frau, von der sie gerade erfahren hatten, dass sie Beladoras
Mutter Ginedora war. Auch ohne die Vorstellung wäre es
offensichtlich gewesen, sie war eine ältere, etwas rundlichere Version der Frau, die sie kannten.
»Ich glaube, neben unserem Lager ist vielleicht noch
Platz«, sagte die Erste. »Kommt, wir nehmen ihn in Beschlag, bevor ihn andere für sich beanspruchen.«
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