Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen

Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen

Titel: Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean M. Auel
Vom Netzwerk:
den Kopf trug, war er als Höhlenbär zu erkennen.
»Jonokol, sieht dieser Bär nicht genauso aus wie der rote Bär, den wir gerade gesehen haben?«, fragte Ayla.
»Ja. Vermutlich stammt er von derselben Person«, erwiderte er.
»Aber den Rest der Darstellung verstehe ich nicht. Als wären zwei verschiedene Tiere zusammengefasst, damit es so aussieht, als hätte er zwei Köpfe, der eine kommt aus der Brust des Bären, aber dann ist in der Mitte ein Löwe, und ein anderer Löwe liegt vor dem Bären. Dieses Bild verstehe ich überhaupt nicht.«
»Vielleicht soll es auch nur von dem verstanden werden, der es gemalt hat. Der Künstler hat viel Fantasie walten lassen und womöglich versucht, eine Geschichte zu erzählen, die niemand mehr kennt. Es gibt keine mir bekannten Überlieferungen und Legenden der Alten, die es erklären«, sagte die Erste.
»Ich glaube, wir müssen einfach nur die Schönheit der Arbeit anerkennen und den Alten ihre Geheimnisse lassen«, meinte die Wächterin.
Ayla nickte zustimmend. Inzwischen wusste sie, dass es weniger um das Aussehen des fertigen Kunstwerks ging, sondern eher darum, was die Künstler bewirken wollten, wenn sie es herstellten. Weiter hinten in dem Stollen, hinter dem zweiten Löwenkopf und einer Verwerfung in der Wand, gab es ein in Schwarz gemaltes Bild: der Kopf eines Löwen, ein großes Mammut und zuletzt eine Figur hoch über dem Boden - ein großer roter Bär mit schwarz umrandetem Rücken. Wie der Künstler ihn hatte zeichnen können, war ein Rätsel. Vom Boden aus war der Bär leicht zu sehen, doch wer ihn auch erschaffen hatte, musste über viele hohe Tropfsteinformationen gestiegen sein, um dorthin zu gelangen.
»Ist euch auch aufgefallen, dass alle Tiere aus dem Raum hinausgehen, bis auf das Mammut?«, fragte Jonokol. »Als kämen sie aus der Geisterwelt in diese Welt.«
Die Wächterin stand direkt vor dem Raum, in dem sie zuletzt gewesen waren, und begann erneut zu summen, doch diesmal glich die Melodie dem Lied von der Mutter, so wie die Erste es angestimmt hatte. Jede Höhle der Zelandonii sang oder rezitierte das Lied von der Mutter. Es berichtete von ihren Anfängen, vom Ursprung der Menschen, und obwohl sie alle gleich waren und dieselbe Geschichte erzählten, stimmten die Versionen der Höhlen nicht genau überein. Das galt besonders dann, wenn sie das Lied sangen. Die Melodien waren oft sehr unterschiedlich, manchmal hing es davon ab, welche Person sang. Da sie über eine so außergewöhnliche Stimme verfügte, hatte die Erste ihre eigene Art des Vortrags entwickelt.
Wie auf ein Zeichen nahm die Erste das Lied von der Mutter an der Stelle wieder auf, an der sie es zuvor unterbrochen hatte. Jonokol und Ayla stimmten nicht ein und genossen es einfach, zuzuhören.
    Hoch lodern die Flammen, denn sie wälzt sich in Pein. Die lebende Frucht will erlitten sein.
Rot wie Ocker gerann in der Erde ihr Blut,
Doch das Kind, das helle, belohnt ihren Mut.
    Der Mutter Lohn. Ein leuchtender Sohn.
Das Gebirge stieg auf, spie Flammen vom Grat. Der Mutter Milch schrieb am Himmel den Pfad Sie nährte den Sohn an der bergigen Brust, Hoch stoben die Funken vor Saugens Lust.
Sein Leben beginnt. Sie nährt ihr Kind.
    Er lacht und spielt mit strahlenden Blicken, Erhellt das Dunkel zu der Mutter Entzücken. Im Schutz ihrer Liebe wird er stark und klug, Doch der Kindheit Ort ist ihm nicht genug.
    Ihr Sohn wächst heran. Zum verwegenen Mann.
    Sie nimmt von der Kraft, aus der Leben entspringt, Doch das kalte Chaos umgarnt ihr Kind.
Den Sohn liebt sie sehr und will ihn nicht missen,
    Doch ihn verlangt nach Ferne, Abenteuer und Wissen.
Noch sind sie vereint. Doch die Leere ist ihr Feind.
Aus dem wirbelnden Nichts schleicht das Chaos heran, Und während sie schläft, stürzt er voran
    Und versinkt im wirbelnden Chaos des Nichts, Getäuscht vom Locken der Finsternis.
Ins Dunkel eilt davon. Ihr strahlender Sohn.
    Doch nicht lange, da wird sein berauschtes Glück Von der öden trostlosen Leere erstickt.
Ob seines Leichtsinns plagt ihn bittere Reue, Er versucht zu entkommen, immer aufs Neue.
    Den leichtfertigen Spross. Lässt das Chaos nicht los.
    Doch bevor das Chaos ihn vollends verschlingt, Erwacht die Mutter und greift nach dem Kind,
Umklammert es mutlos und klagend und ruft
Den schimmernden Freund, den sie selbst sich einst
    schuf.
Die Mutter hält den Sohn in ihrer Welt.
    Der Klang hallte nach, das Lied kam als Echo wieder zu ihnen zurück, nicht so stark wie manche andere, dachte die

Weitere Kostenlose Bücher