Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen
so fehlen«, bettelte Jonayla ein letztes Mal.
»Dann würde er mir fehlen, Jonayla. Nein, es ist besser, wenn er bei mir bleibt. Du siehst ihn später«, tröstete Ayla sie.
Jondalar hob Jonayla auf Grau. Sie zählte mittlerweile sechs Jahre, und wenn ein Stein oder Baumstumpf in der Nähe war, saß sie schon allein auf. Jondalar schwang sich auf Renner, griff nach Graus Leine, um die Stute zu führen, und so holten sie die anderen Angehörigen der Höhle rasch ein. Ayla konnte die Tränen nicht unterdrücken, als sie gemeinsam mit Winnie und Wolf ihrem Gefährten und ihrer Tochter nachsah, die von ihnen fortritten.
Schließlich sprang Ayla auf den Rücken ihrer falben Stute und ritt ein Stück des Wegs zurück, dann blieb sie stehen und warf einen letzten Blick auf die sich entfernende Neunte Höhle. Sie zogen in geruhsamem Tempo dahin, die Reihen hatten sich bereits ein wenig aufgelöst. Den Abschluss bildeten Jonayla und Jondalar auf Renner und Grau, die ihre Schleiftragen zogen.
Das Sommertreffen fand am selben Ort statt wie in dem Jahr, als Ayla zu den Zelandonii gekommen war. Dort hatte es ihr gefallen, und sie hoffte, dass Joharran sich für denselben Platz entscheiden würde, an dem die Neunte Höhle schon damals ihre Lagerstätte errichtet hatte, sofern niemand anderes sie belegt hatte. Früher hatte es Joharran gefallen, inmitten des Trubels zu sein und das Lager nicht weit vom geschäftigen Hauptplatz aufzuschlagen. In den vergangenen Jahren jedoch hatte der Anführer der Neunten Höhle zunehmend Lagerstätten gewählt, die eher am Rand lagen, damit die Pferde nicht auf allen Seiten von Menschen umringt waren. Allmählich gefiel es ihm, reichlich Platz zu haben, um sich ausbreiten zu können. Wenn er sich für die alte Lagerstelle entschied, wäre dort mehr als genug Platz für die ungewöhnlich große Neunte Höhle vorhanden, außerdem ließ sich ganz in der Nähe eine Umfriedung für die Pferde errichten. Wenn Ayla die Augen schloss, konnte sie sich alle dort vorstellen. Eine ganze Weile sah sie den davonziehenden Menschen nach, dann wendete sie Winnie, gab Wolf ein Zeichen und ritt zur Neunten Höhle zurück.
Ayla hatte nicht gewusst, wie verlassen der riesige Abri ohne die vielen Bewohner war, auch wenn einige Menschen von umliegenden Höhlen gekommen waren, um den Sommer hier zu verbringen. Die meisten Wohnstätten waren verwaist, die Werkzeuge und Ausrüstungsgegenstände, die sonst gebrauchsfertig auf der großen Arbeitsfläche herumstanden, waren zerlegt und mitgenommen oder verstaut worden. Marthonas Webrahmen war eine der wenigen Gerätschaften, die in dem ansonsten leeren Bereich noch herumstanden.
Ayla hatte die ältere Frau aufgefordert, für die Dauer des Sommertreffens bei ihr zu leben. Sie wollte in der Nähe sein für den Fall, dass Jondalars Mutter Hilfe brauchte, vor allem nachts, und Marthona hatte bereitwillig zugestimmt. Da sie und Willamar im Herbst ohnehin an Jondalars Herdfeuer ziehen würden, bot ihr dieser Aufenthalt die Gelegenheit festzustellen, welche Gegenstände sie behalten und welche sie weggeben konnte, denn für all ihr Hab und Gut gab es in der kleineren Wohnstätte keinen Platz. Die beiden Frauen unterhielten sich ausführlich, und als Marthona erfuhr, dass Ayla wieder ein Kind erwartete, freute sie sich sehr darüber.
Die meisten Zurückbleibenden waren entweder alt oder auf die eine oder andere Art beeinträchtigt. Dazu gehörten unter anderem ein Jäger, der sich ein Bein gebrochen hatte, ein Mann, den ein Auerochse mit einem Horn durchbohrt hatte und der noch unter seiner tiefen Wunde litt, und eine Schwangere, die bereits drei Fehlgeburten gehabt hatte und sich möglichst wenig bewegen durfte, wenn sie dieses Kind jetzt zur Welt bringen wollte. Ihre Mutter und ihr Gefährte leisteten ihr Gesellschaft.
»Ich bin froh, dass du den Sommer hier verbringst, Ayla«, sagte Jeviva, die Mutter der schwangeren Frau. »Das letzte Kind hat Jeralda fast sechs Monde behalten, bis Madroman vorbeikam. Er sagte, sie müsse sich viel bewegen. Ich glaube, es ist seine Schuld, dass sie das Kind verloren hat. Zumindest weißt du über Schwangerschaften Bescheid, du hast selbst ein Kind bekommen.«
Ayla blickte zu Marthona und fragte sich, ob sie wohl Näheres darüber wusste, wie Madroman die junge Frau behandelt hatte. Sie hatte nichts davon gehört. Er war im vergangenen Jahr mit vielen Habseligkeiten wieder in die Neunte Höhle gezogen, ganz so, als wollte er längere Zeit
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